Interview Alexander Bernikas

„Zu Marketing findet man immer eine Verbindung.“ – Online Marketing Experte Alexander Bernikas

Der Gründer von TrendRaider spricht mit OnlineMarketingExperten.de

2014 gründete Alexander Bernikas TrendRaider und verschickt seitdem mit Abo-Boxen monatlich Freude in ganz Deutschland. Im Laufe der Jahre hat er mit seinem Startup ein erfolgreiches Unternehmen herangezogen.

Lesen Sie unser Interview und lernen Sie gemeinsam mit uns von Alexander Bernikas über Fachkräftemangel, Digitalisierung und Unternehmertum.

Im Gespräch mit Alexander Bernikas

OME: Ich frage anfangs immer gerne dieselbe Frage, insbesondere, weil es oft so eine prägende Sache ist: Kannst du dich noch erinnern, wann du deinen ersten Computer bekommen hast? Was war das für einer und wofür hast du ihn eingesetzt?

Alexander Bernikas: Ja, das ist wirklich prägend. Mein erster Computer war tatsächlich kein eigener – mein Vater hatte ein Mietgerät.

Ich bin Baujahr siebenundachtzig, also gehöre ich zu der ersten nativen Generation. Auch wenn das für mich noch bedeutet hat, Disketten zu benutzen und dem Modem dabei zuzuhören, wie es tolle Geräusche macht.

Und als ich zehn war, hat mein Vater einen Computer gemietet. Das war meine erste Berührung – ich habe dann auf fünf Disketten verteilt ein Jump and Run-Spiel installiert.

Das ist schon relativ früh. Aber es hat mich damals auch sehr schnell dazu inspiriert, da auch mehr mitzumachen. Auch mit IT habe ich dann früh angefangen – wahrscheinlich so mit dreizehn oder vierzehn habe ich meine ersten Programme geschrieben.

Frühbeginn durch Förderung

OME: Beeindruckend. Hatte das was mit der Schule zu tun oder war das nur ein Hobby?

Alexander Bernikas: Für die Schule war das. Ich war damals Mitglied einer Schülerfirma, die Webseiten gebaut hat. Das war eine ganz tolle Sache.

Und auch außerhalb der Schulzeit habe ich mit so etwas weitergemacht. In einem Jugendzentrum im Süden von Berlin hatten sie ein Programmierangebot. Das war ganz cool.

Ich habe in dem Rahmen auch erste Erfahrungen damit sammeln dürfen, ein Projekt zu leiten. Also damit, wie man ein Team  zusammenstellt und Aufgaben verteilt, einen Plan aufstellt.

Ich glaube, wir haben damals auch sogar ein bisschen Geld damit verdient. Das waren dann nur fünfzehn Euro oder so, aber als Abiturient freut man sich da ja drüber.

OME: Ja klar, bei seinem ersten Kunden ist man stolz wie Oskar. Was hat dich damals daran fasziniert? Dass es etwas mit Computern und dem Internet zu tun hatte? Oder eher die unternehmerische Seite?

Alexander Bernikas: Ich glaube, mich hat es fasziniert, die Entwicklung mitzubekommen. Ich war ja genau im richtigen Alter, als es so langsam losging. Die Webseiten von damals sind ja mit heutigen gar nicht mehr vergleichbar, daran sieht man die Geschwindigkeit dieser Entwicklung.

Das ist natürlich erst im Rückblick erst so offensichtlich, damals war ich ja mittendrin. Da setzt man sich ja nicht hin und denkt über die Lebenszyklen nach, die man erlebt.

Wir kennen ja alle noch Portale, die es nicht mehr gibt. Niemand spricht noch von Napster oder studiVZ. Die hatten mal gute Zeiten, sind aber schon lange vom Markt.

Praktikum und Partyplanung – Der Anfang einer Karriere

OME: Und wie ging es weiter in deinem Computerleben?

Alexander Bernikas: Ich habe ein Schülerpraktikum in einer IT-Bude gemacht. Die bestand aus zwei Leuten, die sich zu einer GBR zusammengeschlossen hatten. Von Alarmanlagen über Spieleautomaten bis hin zu Computern haben die an allem herumgebastelt.

Heutzutage würde ich das als eher unprofessionell sehen, aber die hatten viel Spaß dabei. Und wenn ich an Computern herumschrauben durfte, hatte ich den auch.

Damals haben mich auch die Hardware Entwicklungen interessiert. Heute ist das nicht mehr so, da bin ich zufrieden, wenn ich einen Mac habe, der funktioniert – und damit ist‘s gut.

OME:  Und wie siehst du deine Entwicklung von deinem ersten Computer zum heutigen Stand als Geschäftsführer von TrendRaider?

Alexander Bernikas: Ein ganz einschneidendes Erlebnis war für mich die Musik. Ich habe ungefähr mit sechzehn intensiv angefangen, Gitarre zu spielen.

Ich habe viel in Bands gespielt und bin auch viel auf Konzerte gegangen. Das hat mir richtig Spaß gemacht.

Daraus hat sich dann die Lust entwickelt, eigene Veranstaltungen zu machen. Mit achtzehn habe ich dann tatsächlich auch angefangen, Veranstaltungen zu organisieren, unter anderem Konzerte.

Das resultierte dann auch einmal in einem ziemlich großen Event: Der Hipster-Olympiade in Berlin, die 6.000 Teilnehmer hatte. Das war 2012.

Meine Eltern haben schon oft mit dem Kopf geschüttelt. Aber zum einen wussten sie, dass ich es sowieso mache und zum anderen hatte ich in der Schule gute Noten.

Ich hatte vor dem Abitur schon meinen Vertrag für das duale Studium bei IBM in der Tasche, da mussten sie sich also nie Sorgen machen.

Durch dieses Zusammenspiel an IT-Verständnis und Interesse an Marketing kam es dann auch, dass ich relativ schnell, so um 2011 herum, ein Online Magazin gestartet habe.

Kultmucke.de heißt es, das gibt es heute noch. Die ursprüngliche Idee war, das als Begleitinstrument für Veranstaltungen zu benutzen. Im Laufe der Zeit haben wir regelmäßig Partys und Konzerte veranstaltet.

Eine sehr regelmäßige Sache, die wir außerdem gemacht haben, war PowerPoint-Karaoke. Für an Marketing interessierte Leser ist das sicherlich spannend.

Das ist eine Art Präsentationstraining. Wir haben es einmal im Monat in Berlin veranstaltet – und auch die deutsche Meisterschaft mal dort ausgetragen.

Man muss natürlich sagen, dass diese Veranstaltungen für mich nie etwas mit Business zu tun hatten, sondern mir einfach viel Freude bereitet haben. Als Unternehmer muss man sich aber natürlich fokussieren – Freude zahlt einem nicht die Miete.

Aus diesem Umfeld heraus hat sich das dann alles so entwickelt. Events und dann noch das Studium. Ich bin dann bei IBM auch erstmal im Projekt geblieben.

Ich habe da als Servicekraft gearbeitet, aber mich nebenbei immer weiter in Richtung Unternehmertum und Marketing gebildet.

OME: Aber IBM hat dich doch wahrscheinlich nicht nach 40 Stunden nach Hause geschickt? Üblich waren damals doch 50 bis 60 Stunden die Woche, oder?

Alexander Bernikas: Das kommt natürlich drauf an. Wenn man sich in diesem Konzern gut orientiert und exzellente Arbeit leistet, dann kann man auch seine eigenen privaten Themen forcieren.

Natürlich nicht wie jetzt, wo ich mich auf eine Sache konzentrieren kann. Aber ich habe schon mal am Wochenende PowerPoint-Karaoke machen können.

TrendRaider – Die Geburt eines persönlichen Projektes

Auch habe ich mich nach der Arbeit mal hingesetzt und getüftelt. TrendRaider habe ich damals aus dem Angestelltenverhältnis heraus angefangen. Da war ich bei 30 Stunden, habe mich einfach so hingesetzt und die Webseite programmiert, weil es so eine Challenge war.

Zu dem Zeitpunkt war mir noch gar nicht klar, wie es sich entwickeln würde. Also habe ich auch gar nicht wirklich einen Businessplan geschrieben.

Ich war damals fasziniert davon, dass ich auf den Designmärkten, die wir veranstalteten, sehen konnte, wie die erste Welle vom Abo-Commerce kam und wieder abflaute. Also habe ich das analysiert. Auch Nachhaltigkeit hat mich immer interessiert.

Der Grundgedanke von TrendRaider war, durch Kreativpotenzial monatlich kurativ neue Trends zusammenzubringen.

Das war 2014. Ein wirklich ernsthaftes Business ist es seit 2017, seitdem arbeite ich an diesem Projekt in Vollzeit.

OME: Was hat sich dabei für dich verändert? Arbeitest du jetzt als Unternehmer mehr oder weniger, oder vielleicht engagierter?

Alexander Bernikas: Ich konnte schon immer die Passion nicht unterdrücken und wollte in einem ungestörten Verhältnis meine Ideen umsetzen.

Ich glaube, das ist ein Trieb, den man entweder hat oder auch nicht. Das hat auch Nachteile, weil man dadurch polarisiert. Manchmal muss ich mich wirklich zwingen, mal runterzufahren. Das ist dann halt die Kehrseite.

Aber klar, seit ich mich frei als Unternehmer bewege, ist meine Arbeit fokussierter und auf jeden Fall auch nochmal engagierter.

Es ist auch einfach schön. TrendRaider hat sich in den zwei bis drei Jahren, in denen wir jetzt am Markt sind, jedes Jahr verdoppelt.

Anfangs bedeutet eine Verdopplung noch nicht so viel, aber so langsam kommen wir in Bereiche, die sinnvoll werden. Noch fließt bei uns nicht Milch und Honig, aber wir freuen uns über organisches und gesundes Wachstum.

Es kommt mittlerweile auch vor, dass es Austausch im Team gibt, ohne dass ich ihn initiieren muss. Das ist etwas, das ich total schön finde.

Ich muss nicht mehr am Unternehmen arbeiten, sondern kann im Unternehmen arbeiten. Das merkt man als Unternehmer.

Die Entwicklung vom Gründer zum Geschäftsführer war echt toll. Und gerade in der Marketingagentur merke ich, dass mir die Arbeit mit dem Kunden echt Spaß macht.

Es ist jederzeit wieder eine Herausforderung, Geschäftsmodelle auf den aktuellen Markt anzupassen und fit zu machen für das digitale Zeitalter.

Da überlegt man dann auch mit dem Kunden gemeinsam, was man noch rausholen kann. Durch diese Kundenprojekte bleibt mir das Gründen irgendwie erhalten.

Oft sind die Neukunden in einem relativ frühen Stadium, wenn sie zu uns kommen. Gerade, wenn sie wollen, dass wir umfängliche Arbeiten machen, also eine Marketingstrategie, teilweise auch eine komplette IT-Beratung, und die dann eventuell auch umsetzen.

Da machen wir dann oft auch kleinere Aufgaben und gestalten in Zusammenarbeit mit AdPoint Google Ads. Wir bieten wirklich ein Komplettpaket.

OME: Fühlst du dich als Kundenberater dann oft auch als Unternehmensberater?

Alexander Bernikas: Also, was heißt Unternehmensberater. Ich fühle mich mit den Kunden schon im gleichen Boot.

Mir ist ganz wichtig, dass man in der Kundenzusammenarbeit ein Verständnis entwickelt, dass man nur zusammen erfolgreich sein kann.

Es gibt durchaus Agenturen am Markt, die einen Deal mit einem Kunden machen und einfach alles aussaugen, was geht. Was danach kommt, ist ihnen egal.

Wir haben schon das Verständnis, dass wir viel mehr Spaß daran haben, gemeinsam mit dem Kunden etwas aufzubauen.

Mehr als nur einfacher Vertrieb

OME: Sehr interessant. Und du hast neben TrendRaider auch eine Marketingagentur?

Alexander Bernikas: Das ist so ein bisschen das Spannende. TrendRaider ist, weil wir so gestartet sind, in der Wahrnehmung ein B2C-Geschäftsmodell.

Der Endkunde geht bei uns auf die Webseite, wenn er sich für nachhaltigen Lifestyle interessiert.

Wir bieten das Abonnement einer monatlichen Box von mindestens 85 Euro Warenwert für nur 30 Euro. Das heißt, dass wir ein sehr gutes Kosten-Nutzen-Versprechen haben.

Auf der anderen Seite ist es aus B2B-Sicht für uns natürlich ein Kanal, nachhaltig mit anderen Unternehmen zusammenzuarbeiten.

Die Box geht nicht nur an Endkunden, sondern auch an Pressekontakte und mittlerweile an rund hundert Influencer, sodass wir insgesamt eine Reichweite von 3.000.000 Bruttokontakten erreichen. Das ist natürlich schon signifikant.

Inzwischen gehen wir auch gezielt in die Akquise und in die Kommunikation mit den Produktpartnern. Wir kommunizieren aber auch vermehrt nach außen.

TrendRaider ist nach wie vor zu hundert Prozent eigenfinanziert, ohne Zuschuss von Fremdkapital.

Aber wir sind auch an einem Punkt angelangt, an dem das nicht mehr nötig ist. Wir können signifikantes Wachstum beobachten.

Deshalb haben wir jetzt auch den Luxus, alles Inhouse machen zu können. Logistik, Flächenmarketing, Redaktion: Das alles ist hier bei uns im Herzen von Berlin, in einem einzigen Gebäude.

Dadurch bleiben die Wege kürzer. Hat zum Beispiel mal ein Influencer seine Box nicht erhalten, können wir uns das gemeinsam mit der Logistik kurz angucken.

Der Nachteil ist natürlich, dass eine so große Fläche zur Miete selten am Markt ist. Da die Schnittmenge zwischen Budget und Platzbedarf zu finden, kann schwierig sein.

Wenn es nächstes Jahr weitergeht wie dieses, wäre das allerdings unser nächster Wachstumsschritt.

Der Schritt vom Hobbyisten zum Experten

OME: Das hört sich sehr spannend an. Bei dem Wachstum, wann ist dir klar geworden, dass du Ahnung hast von dem, was du da machst, ein Experte bist?

Alexander Bernikas: Ich glaube, der Prozess ist ziemlich schleichend. Um sich da irgendwie hervorzutun, ist ein Überblickswissen essenziell.

Als Experte für Instagram kann man seinen Kunden nicht vernünftig beraten, wenn man die Vielfalt nicht überblicken kann.

Ich glaube, diese Methodenkompetenz, das Überblickswissen, ist fast noch mehr wert als eine Art Fachwissen.

Fachwissen kann man sich heutzutage mit Google eher erarbeiten als jemand, der zehn Jahre studiert hat.

Ich habe allerdings tatsächlich noch einen Master in Richtung Marketing gemacht, nebenberuflich. Der hat mir aber auch tatsächlich was gebracht. Wir hatten echt gute Dozenten, zum Beispiel den Professor Dieter Georg.

OME: An welcher Uni warst du?

Alexander Bernikas: Ich war an der FOM. Und von dem Professor habe ich dort viel gelernt, insbesondere in Richtung Markenverständnis und Markenwahrnehmung. Er ist auch schon oft Experte für den ZDF gewesen.

Ich habe gelernt, dass Marketing viel mit Einfühlungsvermögen zu tun hat. Es gibt schon Dinge, die man lernen kann – aber nur bis zu einem gewissen Grad.

Gebraucht wird eine Mischung aus Fachkompetenz, Struktur, analytischem Denken und der Möglichkeit, sich in andere hineinzuversetzen.

Das ist eine spannende Mischung. Sie wirft die Frage auf, wo Marketing anfängt und wo es aufhört. Da ist heutzutage nicht mehr so einfach zu beantworten. Wenn sich jemand bei mir bewirbt und sagt, er will Marketing machen, da höre ich auch immer die komischsten Dinge, die sich die Bewerber so vorstellen.

Aber das Schöne ist, dass ich eigentlich immer einen Ansatz finde, egal ob in der Logistik oder Redaktion. Zu Marketing findet man immer eine Verbindung.

OME: Sehr schön gesagt. Aber ein Experte muss ja auch ein Experte bleiben und für Unternehmer ist es wichtig, sich weiterzubilden. Woher bekommst du dein Fachwissen? Gehst du auf Messen, betreibst du Internetrecherchen?

Alexander Bernikas: Ich habe so ein bisschen das Problem, dass ich mir zwanzig Artikel anschaue und dann vierzig Ideen habe. Also muss ich leider viele verwerfen – aber die Inspiration ist viel wert.

Ich bin viel auf T3N und ähnlichen Blogs unterwegs. Da kann man viel lernen. Ich bekomme auch durch meine Kunden viel mit. Das ist, glaube ich, der Vorteil an einer Marketingagentur: Man bleibt ständig im Austausch.

Bei uns ist die Kombination sehr spannend: Als Agentur nehmen wir selbst am Markt teil, arbeiten aber auch mit dem Kunden eng zusammen.

So kennen und verstehen wir beide Seiten sehr gut und können gründliche Vergleiche anstellen.

Das ist meiner Meinung nach viel wertvoller als die neuesten News, ob Amazon jetzt endlich die Roboter einführt. Schließlich bleibt die Methodik oft gleich.

Selbstverständlich ist es wichtig, die Parameter der Branche zu kennen und wichtige Kennzahlen zu wissen. Aber die Fragen, die man sich stellt, sind eigentlich immer die gleichen.

Deutsches Online Marketing – wie wird es aussehen?

OME: Du bist jetzt schon im IBM Consulting und Service gewesen. Das würde mich Folgendes interessieren: Wie siehst du die Zukunft des Internets und Online Marketings, besonders in Deutschland?

Alexander Bernikas: Das ist ein sehr spannendes Thema. Ich finde es immer so erschreckend, zurückzudenken.

Vor acht bis neun Jahren war es erst, dass die Leute zuerst mobiles Internet auf ihren Handys hatten. Das ist alles noch gar nicht so lange her.

Deswegen werden diese Prognosen jedes Jahr schwieriger. Es gibt da diese Theorie, dass sich das Wissen alle zwei Jahre verdoppelt und dass deshalb die Geschwindigkeit der Entwicklung rapide zunimmt.

Man sieht ja auch die großen Erfindungen. Die Einschlaggrößen dazwischen werden immer kürzer.

Augenscheinlich ist es allerdings im User-Bereich, dass die Sachen alle noch mobiler werden. Anfangs wurde die Apple Watch belächelt, aber jetzt warten alle auf die neue.

Ich glaube, dass die Technologie in dieser Hinsicht noch viel intuitiver und integrierter sein wird. Vorstellen kann ich mir zum Beispiel, dass die Apple Watch irgendwann nur noch ein Ring am Finger ist.

Das hängt auch viel davon ab, was der Markt will. Innovation ist ja immer ein bisschen zweischneidig. Man könnte heutzutage schon deutlich schnellere Prozessoren bauen.

Aber die könnten derzeit nicht sinnvoll vermarktet werden, deshalb ist es taktisch klüger, sie nach und nach zu verbessern.

Genauso wird es auch mit den Innovationen sein, die in den nächsten Jahren auf uns zukommen. Die Produktentwicklungen sind sehr aufwendig.

OME: Und denkst du, es wird mehr Verzweigungen von online und offline geben? Also zum Beispiel, dass Amazon Aldi kauft?

Alexander Bernikas: Das ist eine schwierige Frage. Ich persönlich stehe ja für eine enge Verzahnung zwischen online und offline.

Das macht ja eigentlich aus, was TrendRaider tut. Wir spielen sehr viel mit Emotionen, Neugierde und Überraschung. Wir holen die Leute da ab, wo man sie selten noch erreicht. Nämlich zu Hause.

Und wir wachsen. Im Jahr 2018 hatten wir fünf Mitarbeiter und haben im Monat vielleicht 500 Boxen verkauft. Jetzt haben wir zehn Mitarbeiter und verkaufen monatlich 2.000 Boxen. Wir werden Ende des Jahres auch sicherlich bei 2.500 bis 3.000 Boxen sein.

Ich glaube, das Thema Service ist hier sehr wichtig. Und die Frage, wie man Service noch mehr integrieren kann in die offline- und online-Erlebniswelt der Leute, um das nahtloser zu gestalten. Ich könnte mir vorstellen, dass da noch viel passieren wird.

Probleme bei der Mitarbeitersuche

OME: Schaffst du es denn im Rahmen des Fachkräftemangels noch, qualifizierte Mitarbeiter zu finden? Wenn du expandierst, sind die ja wichtig.

Alexander Bernikas: Oft sind sie beispielsweise nicht ganz computerfit oder haben noch nicht das richtige Skillset.

Ich habe hier selten Bewerber, bei denen ich das Gefühl habe, dass sie fachlich fit sind für den Job, auf den sie sich bewerben. Manchmal muss ich da tatsächlich auch schmunzeln – wenn ich mich bewerben würde, würde ich mich besser vorbereiten.

Vielleicht liegt das daran, dass sie aus einer anderen Generation sind. Das kann ich nicht ganz einschätzen.

Wichtig ist mir dann aber, dass ich merke, da ist Leidenschaft, da ist Bereitschaft da. Und dass die Leute menschlich gut ins Team passen.

Intern habe ich da ein paar Erfolgsgeschichten. Wir haben ein paar Leute, die Germanistik studiert haben und jetzt hier erfolgreich im Bereich Partnerbetreuung und Kundenbetreuung arbeiten.

Einfach, weil sie kommunikativ sehr stark sind, weil sie sich gerne austauschen, weil sie gut in Strukturen denken können, Vorschläge erarbeiten.

Wir bilden hier viel aus, nur ohne Zertifikate. Mit einem Bewerber hat man einfach eine gewisse Strecke vor sich.

Klar, ich habe schon das Gefühl, dass der Arbeitsmarkt verrückter wird. Aber wir finden zum Glück noch viel.

Allerdings denke ich, dass es im Online Marketing sicherlich noch leichter geht als in anderen Branchen. Wenn du noch nicht mal vernünftige Online Marketing Experten findest, wie soll eine andere Firma dann jemanden finden, der auf Stahlrohrbau spezialisiert ist?

Es gibt viele Unternehmen, die in der Wahrnehmung noch sehr unsexy sind. Die haben wahrscheinlich nie dieselben Chancen wie diese zehn bis zwanzig Prozent der anderen Unternehmen, die im Online Marketing richtig fit sind. Klar gibt es noch glückliche Fügungen, aber das ist schon mein Eindruck.

OME: Es kann ziemlich verhängnisvoll sein, nicht mit der Zeit zu gehen. Aber es gibt auch bestimmte Geschäftsmodelle, die einfach nicht mehr erfolgreich sind – so wie zum Beispiel der Einzelhandel. Welche Entwicklungen erwartest du in der Technologie und im Marketing?

Alexander Bernikas: Auf jeden Fall viele in den nächsten Jahren. Ich glaube, das größte Thema ist das der selbstfahrenden Autos.

Ich habe neulich eine Studie gelesen, die besagt, dass nur noch ein Achtel aller Autos, die gerade auf den Straßen sind, gebraucht werden würden, wenn sie fliegen könnten. Schließlich würde ein Auto niemals irgendwo rumstehen. Wenn es dich zur Arbeit gefahren hat, holt es den nächsten ab, der es braucht.

Wenn man das durchdenkt, würden in großen Städten wie Berlin viele Flächen frei werden – schließlich bräuchte man die ganzen Parkräume nicht mehr.

Man denkt zwar, dass sich die Automobilindustrie sicher nicht die Profite nehmen lassen wird. Aber man bedenke nur mal, dass aus Amerika so Sachen wie Uber an den Markt kommen. Die Elektroroller standen auch auf einmal überall in den Städten.

Über das Politikum merkt man auch, dass die Technologie heutzutage viel schneller ist als gesellschaftliche Normen und politische Entscheidungen. Ich habe schon das Gefühl, dass über die selbstfahrenden Autos in der Politik viel diskutiert wird.

Da kann es ja auch um Entscheidungen über Leben und Tod gehen – wenn es nicht verhindert werden kann, dass jemand angefahren wird, welche Option wird dann programmiert?

Irgendetwas muss ja programmiert werden. Das heißt letztlich, dass ein Programmierer die Entscheidung trifft, wer umgefahren wird.

Das sind alles Debatten, die ich persönlich außergewöhnlich finde. Aber die werden jetzt von der Wissenschaft geführt und nicht von der Politik – weil die Politik immer erst dann reagiert, wenn die Technologie schon da ist.

Uber wurde vom Markt gedrängt, als es schon da war. Airbnb wurde erst eingedämmt, als es in Berlin Probleme verursacht hat.

Aus diesem Grund denke ich auch, dass die Politik an der Spitze keine Hemmschwelle darstellt. Sie hemmt eher insofern, als dass es an der Infrastruktur fehlt.

Breitbandinternet ist eine Sache, mit der wir in Deutschland ziemlich hinten anstehen. Auch in der frühkindlichen Erziehung wird noch zu wenig gemacht.

OME: Das ist eine sehr interessante Antwort. Glaubst du denn, dass es Berufe gibt, die durch die Digitalisierung im Online Marketing in der nahen Zukunft wegfallen werden?

Alexander Bernikas: Klar. Das sind so viele Berufsfelder, dass es schon fast schwierig ist, zu antworten. Bankenberater, Steuerberater.

Ich glaube auch tatsächlich, dass im Online Marketing selber vieles wegfallen wird.

Google Ads werden smarter werden. Der Wizard führt am Anfang gerne zu 90% Geldverbrennung – das wird nicht so bleiben.

Da wird es irgendwann eine KI geben, die einem den Weg zeigt. Die wird dann mit Bild und Text gefüttert und generiert die Anzeigen selbst.

Nicht genug Unterstützung für Unternehmer in Deutschland

OME: Gute Antwort. Hast du Forderungen an die Politik in Deutschland, was die erfolgreiche Platzierung von Unternehmen angeht?

Alexander Bernikas: Das kommt darauf an, es gibt ja unterschiedliche Arten von Unternehmertum. Für mich persönlich hat ein durchfinanziertes Startup nicht so viel mit klassischem Unternehmertum zu tun.

Da geht es ja eigentlich nur darum, jeden Monat die Burn Rate zu managen. Ein Unternehmen, das monatlich 150.000€ oder 200.000€ verbrennt, ist für mich eher so eine Art Forschungslabor oder Prototypensammlung.

Für alle anderen sind ja leider keine besonders guten Grundlagen geschaffen. Da ist es schwierig, sich selbstständig zu machen und ein Unternehmen aufzubauen.

Ich persönlich empfand den Weg als anstrengend. Da kann man dran kaputt gehen.

Aber auch die durchfinanzierten Startups haben so ihre Probleme – sie sind sehr investorengetrieben. Das kann auch nicht einfach sein. Aber um Ideen in den Markt zu bringen, brauchst du Kapital.

Der Anfang nach der Idee ist das Schwierigste. Wenn man bei Null damit anfängt, ein Büro zu suchen, die ersten Kunden zu suchen und Mitarbeiter einzustellen, dann muss man eine große Hürde überwinden. Ich finde schon, dass die Politik da aus eigenem Interesse sehr viel mehr tun sollte.

OME: So wie Steuerfreiheit die ersten fünf Jahre?

Alexander Bernikas: Ja,  zum Beispiel. Oder auch eine Pauschalförderung, eine Belohnung für jeden Mitarbeiter, den man einstellt.

Eine ganz interessante Entwicklung gibt es hier in Berlin. Vor gut drei Monaten ist das Jobcenter auf uns zugekommen, denn die bieten jetzt Beratungen für Startups an. Ich fand es sympathisch, dass die so offensiv auf uns zugegangen sind.

Und dann ist da ja auch der Austausch wichtig – eigentlich das A und O. Aber wir haben ein komplexes Firmenmodell, weswegen ich immer sehr mit den internen Prozessen beschäftigt bin.

In den letzten Jahren hatte ich viel zu wenig Zeit dafür, den Austausch mit anderen zu suchen.

Man kann vom Austausch nur profitieren. Er ist auch der Grund, aus dem wir jetzt mit dem Wirtschaftskreis Pankow verdrahtet sind.

Trotz allem unternehmerischen Stress muss man immer offen sein für Neues. Wenn man aufeinander zugeht, kann man voneinander viel lernen. Gespräche bieten eine gute Möglichkeit zur Selbstreflektion.

Noch lange nicht fertig

OME: Absolut. Du hast über die Jahre viele Projekte gehabt. TrendRaider ist bisher dein größtes, du hast dich deswegen sogar selbstständig gemacht. Denkst du, es wird dein letztes Projekt sein?

Alexander Bernikas: Nein, das wäre mir zu final. Wenn man die Lust auf Neues nicht mehr hat, ist das Leben doch irgendwie vorbei.

Das ist ja auch das, was mich an einer Agentur immer wieder fasziniert – man bleibt konstant im Austausch. Ich merke, dass ich das brauche.

Aber es ist auch schön, ein Geschäftsmodell zu haben, das funktioniert und etabliert ist. Das ist am Abomodell das Gute: Wir haben die Möglichkeit, monatlich Freude zu schenken und Leute glücklich zu machen.

Und wir haben auch das Glück, dass unsere Kunden uns eine gewisse Sicherheit vermitteln. Die Kombination ist toll.

Aussagen darüber, ob das mein letztes Projekt ist, will ich gar nicht treffen. Es ist angenehm, nicht immer so weit in die Zukunft zu denken.

Ziele innerhalb der nächsten zwei bis der Jahre sind nützlich. Aber die Frage „wo siehst du dich in fünf/zehn Jahren“ kann ich nicht mehr für voll nehmen. Wer weiß das schon.

OME: Das sind gute Worte, um dieses Interview zu beenden. Wir haben viel von dir lernen dürfen. Ich möchte mich herzlich dafür bedanken, dass du dir die Zeit genommen hast.

Lorem ipsum

Schreibe einen Kommentar