Online Marketing Experte Johannes Beus im Interview

„Wenn ich gewinnen will, will ich selbst gewinnen und nicht dorthin getragen werden.“

– Online Marketing Experte Johannes Beus

OnlineMarketingExperten.de zu Gast bei SISTRIX

Johannes Beus gründete mit der SISTRIX Toolbox das relevanteste SEO-Tool in Deutschland. Seit 2001 ist die Suchmaschinenoptimierung sein Thema der Wahl, über das er seit 2003 in einem der ältesten SEO Blogs Deutschlands regelmäßig berichtet. 

All dies macht Johannes Beus von SISTRIX zu einem bedeutenden Online Marketing Experten. Deshalb möchten wir Ihnen unser Interview mit dem SEO Tool Experten natürlich nicht vorenthalten.

Das Gespräch mit Johannes Beus

OME: Kannst du dich noch daran erinnern, wie du deinen ersten Computer bekommen und angeschlossen hast?

Meiner war zum Beispiel ein 486er.

So begann die Computerlaufbahn des Experten

JOHANNES BEUS: Das ist lustig. Mein erster Computer war auch ein 486er. Er hatte noch eine Turbotaste, mit der sich die Frequenz des Prozessors verändern ließ.

Nach dem Tastendruck war er doppelt so schnell – zumindest hat das Gerät das behauptet. Das Konzept gibt es heutzutage gar nicht mehr.

Ich war noch recht jung, als ich den Computer bekommen habe. Es müsste gegen Ende der Grundschule gewesen sein.

Welches Kabel wie angeschlossen werden musste, war recht selbsterklärend. Danach musste das Betriebssystem installiert werden. Dafür mussten verschiedene Disketten in der richtigen Reihenfolge eingesteckt werden. 

Da sich niemand bei uns mit Computern auskannte, musste ich selbst lesen, was alles gemacht werden musste – Learning by doing. 

OME: Wusstest du damals schon, was ein Betriebssystem ist?

JOHANNES BEUS: Nein, das wusste ich noch nicht. Auf dem Bildschirm wurde angezeigt, welche Diskette als nächstes eingelegt werden muss, und ich habe diese Anweisungen einfach befolgt.

Ich glaube, dass man auch heute noch nicht alle Konzepte von Anfang an versteht.

Man muss erst eine Weile damit gearbeitet haben, bis man weiß, was ein Betriebssystem ist, wie einzelne Programme zusammenarbeiten und wie Treiber funktionieren.

Heute muss man bei vielen Dingen erst einmal Erfahrungen sammeln und Prozesse selbst übernehmen, um sie zu verstehen. Nur so kann man den gedanklichen Unterbau mitbekommen.

OME: Warst du ein Gamer?

JOHANNES BEUS: Am Anfang natürlich schon. Videospiele waren zu Beginn für jeden das Wichtigste.

Ich war allerdings nie wirklich auf LAN Partys, schließlich habe ich sehr früh mit meinem Computer begonnen.

Es war eine Ausnahme, dass man schon in der Grundschule einen Computer hatte. Meine Freunde haben deshalb zu der Zeit noch keine eigenen Computer gehabt.

OME: Wie bist du auf die Idee gekommen, dass du gerne einen Computer hättest?

JOHANNES BEUS: Meine Mutter hatte einen Computer in ihrem Büro. Den fand ich sehr spannend.

Er war aber noch größtenteils textbasiert und ohne Maus mit MS-DOS statt Windows. Außerdem hatte er einen Nadeldrucker, der schreckliche Geräusche gemacht hat.

OME: Und wie ging es danach weiter? Wie war dein erstes Erlebnis mit dem Internet?

JOHANNES BEUS: Wir hatten direkt ISDN. Bonn hatte da als Telekomstadt schon immer einen Vorteil. Die Telekom hat ISDN direkt sehr groß beworben.

Man hat sich über einen T-Online-Zugang mit dem Internet verbunden. Die Abrechnung erfolgte nach Minuten und war sauteuer. Dennoch war das eine große Sache.

Wenig später kamen die ersten Webbrowser Mosaic und Netscape dazu. Damit habe ich meine ersten Interneterfahrungen gemacht.

OME: Hattest du in der Schule auch Kontakt zu Computern?

JOHANNES BEUS: Nein, Computerkurse gab es zu meiner Schulzeit noch nicht. Erst kurz vor dem Abitur wurde bei uns ein Computerraum eingerichtet.

Ich war aber in England auf einem Internat, an dem diese Entwicklung schon relativ weit fortgeschritten war.

Dort gab es eine richtige Internetanbindung, eine Standleitung, große Computerräume und Lehrer für IT. In meinem eigenen Raum im Internat hatte ich zudem einen Anschluss für das Netzwerk.

Man hatte auf einmal ganz andere Möglichkeiten, mit dem Internet umzugehen. Schließlich lief kein Gebührenticker mehr im Hintergrund, sondern das Internet war immer verfügbar.

Ich hatte dort einen Lehrer, der schon damals 65 war und die Grundzüge der Informatik miterlebt hat. Er hatte mit Lochkarten angefangen und ist dann mit der Technik mitgewachsen.

Er hat mich sehr gefördert und mich auch bei meiner ersten Programmiererfahrung unterstützt. Das war eine prägende Zeit für mich.

Vor dem Abitur bin ich zurück nach Deutschland gekommen und hatte dann wieder altes Internet. Zu der Zeit ging es jedoch auch in Deutschland mit DSL-Zugängen los.

Neben der Schule habe ich für einige Bonner Firmen Webseiten und Grafiken erstellt. Das war noch vor dem Börsencrash.

Dadurch habe ich recht gut verdient – 630 Mark. Das war viel Geld für einen Schüler.

Kurz vor dem Abitur habe ich mich dann selbstständig gemacht und Links verkauft. Ich hatte damals gute Connections in die PHP-Szene, während die Programmiersprache immer größer wurde.

Dadurch hatte ich einige Links von der php.net Domain, die damals schon einen Pagerank von 9 oder 10 hatte. Mit einem Link von dieser Seite hattest du direkt selbst einen Pagerank von 8.

Auf diese Weise konnte ich gut Links verkaufen. Einige aus der Versicherungs- und Finanzbranche haben das Potenzial dahinter schon früh erkannt.

Das war kurz nach der Jahrtausendwende. Schon damals konnte ich für einen Link 500 bis 1.000 Mark erhalten.

Wenn man davon zehn vermietet hatte, ist man als Abiturient schon gut über die Runden gekommen.

So wurde Johannes Beus zum Online Marketing Experten

OME: Wie hast du dir dein Wissen in diesem Bereich angeeignet?

JOHANNES BEUS: Es gab damals keine strukturierte Lernveranstaltung zum Thema „Online“. Stattdessen musste man sich alles nach dem Trial and Error Prinzip selbst beibringen.

Man hat Sachen ausprobiert, die dann funktioniert haben oder eben nicht.

Es war eine Zeit, in der man Dinge selbst lernen musste. Es gab keine fertigen Konzepte, Bücher oder Lösungen. Man hatte keinen Kurs dazu. Man musste es einfach selbst machen.

Damals war allerdings auch die Konkurrenz deutlich weniger. Die SEO oder Link Szene in Deutschland bestand vielleicht aus 15 aktiven Leuten. Mittlerweile arbeiten über 4.000 Leute in der SEO Branche.

OME: Wieviel Zeit hast du damals pro Tag am Computer verbracht?

JOHANNES BEUS: Als ich mich nach dem Abitur selbstständig gemacht habe, war ich natürlich viel am Computer.

„Man muss Dinge ausprobieren“, hört sich leicht an, kostet jedoch auch viel Zeit. Ein Großteil der Ideen funktioniert schließlich nicht auf Anhieb.

Ich habe bei meiner Arbeit relativ schnelles und direktes Feedback bekommen, wenn etwas nicht funktionierte, und durch meine Selbstständigkeit konnte ich mir auch nicht endlos viele Fehlentscheidungen leisten.

Größtenteils musste ich dafür meine eigenen Erfahrungen machen.

Es gab jedoch auch beispielsweise das Suchmaschinentricks.de-Forum, das sich als erstes Forum mit der Thematik beschäftigt hat.

Später kamen Abakus und die Abakus SEO Konferenz dazu. Das war aber erst 2004 oder 2005, als alles bereits größer wurde.

OME: Hast du dich damals schon in deiner Leistung bestätigt gefühlt? Zum Beispiel bei dem ersten Keyword, unter dem du ein Platz 1 Ranking geschafft hast?

JOHANNES BEUS: Ich habe meine Seiten nie für ein einzelnes Keyword optimiert. Stattdessen wollte ich für ganze Konzepte und viele Keywords gleichzeitig gute Rankings erzielen.

Ich hatte zum Beispiel das Ziel, für alle Immobilien Keywords in Deutschland zu ranken. Das waren 13.000 Städte- und Ortsnamen in Kombination mit „Immobilien“.

OME: Wann hast du gemerkt, dass du in deinem Bereich wirklich gut bist? 

JOHANNES BEUS: Na ja, sobald man zu dieser Erkenntnis kommt, ist es oft schnell wieder vorbei.

Zumindest besteht die Gefahr. Sobald man glaubt, man hätte es geschafft, wird man langsam, faul und träge. Der Zündstoff ist weg und ein paar Monate später ist alles vorbei.

Eine Zeit lang konnte ich mit meinen Immobilienrankings gut verdienen. Ich war der größte Affiliate von Immobilienscout.

Später habe ich Pseudosuchmaschinen erstellt. Damals kam gerade AdSense auf.

Aber das waren nur Phasen. Einige Dinge haben ein bis zwei Jahre lang gut funktioniert, anderes wiederum nur ein paar Monate.

Ich hatte also immer wieder einen neuen Antrieb. Es brauchte viel Kraft. Man muss immer die Energie haben, den nächsten Schritt zu machen.

Wenn man mit einem Modell fertig ist, sollte man schon eine Alternative haben – Für den Fall, dass es zum Beispiel durch ein Google Update auf einmal nicht mehr funktioniert.

OME: Blicken wir mal 15 Jahre zurück: Hattest du zu der Zeit eine Vision? Wolltest du zum Beispiel durch deine Linkbuilding Aktivitäten viel Geld verdienen?

JOHANNES BEUS: Ja, ich hatte Ziele, aber ich habe mich nicht von dem Geld antreiben lassen.

Die Projekte, an denen ich in den letzten 20 Jahren gearbeitet habe, waren zwar oft finanziell erfolgreich, aber das war nicht das Ziel davon. Der finanzielle Erfolg war eher ein netter Nebeneffekt.

Wie Johannes Beus auf die Idee für die SISTRIX Toolbox kam

OME: Wie bist du dann letztendlich dazu gekommen, ein SEO Tool wie SISTRIX zu entwickeln? Wie kam es zu dieser Erkenntnis?

JOHANNES BEUS: Nach der Zeit, in der ich viele Dinge ausprobiert habe, habe ich eine Weile lang im klassischen Online Marketing Bereich SEO Consulting gemacht.

Ich bin durch Deutschland gereist und habe Firmen SEO erklärt. Vielen Webseitenbetreibern konnte ich auch dabei helfen, aus Google Penalties herauszukommen.

Es war eine spannende Zeit, aber nach ein paar Jahren wusste ich, dass ich auch das Consulting nicht ewig machen wollte.

Irgendwann kennt man jedes Hotel auswendig und erklärt die gleichen Themen immer wieder von vorne.

Die ersten drei Male macht das Spaß und man lernt etwas neues, aber beim vierten Mal fängt es schon an, eintönig zu werden.

Neben dem Consulting habe ich angefangen, Daten zu sammeln. Ich habe Entscheidungen schon immer lieber anhand von Daten als basierend auf einem Bauchgefühl getroffen.

Die Daten, die ich nebenbei gesammelt habe, habe ich in einem Interface untergebracht.

Meine verschiedenen Datenbanken habe ich vereinheitlicht und hinter ein relativ einfaches Webinterface gelegt. Das war 2007.

Viele meiner Kollegen und Freunde fanden das gut und haben mich dazu ermutigt, es als Produkt anzubieten. Diesen Weg bin ich dann weitergegangen.

Ich habe meine Consulting Zeit reduziert und stattdessen mehr Zeit in das Produkt investiert. Dabei habe ich die erste Version der SISTRIX Toolbox quasi selbst entwickelt.

Zwischendurch habe ich Studenten angestellt, die für mich Texte geschrieben haben, aber wir waren nie eine große Firma.

Die meisten Dinge habe ich selbst übernommen. Ich habe das Front- und das Backend erstellt, mich mit Graphen und Crawling beschäftigt und die Rechnungserstellung in die Hand genommen.

Im Oktober 2008 konnte ich mit der Toolbox auf den Markt gehen. Anschließend bin ich schnell Marktführer im deutschsprachigen Bereich geworden. 

Seitdem entwickeln wir die Toolbox kontinuierlich weiter. Der Index, den wir genutzt haben, war zu Beginn auf Deutschland beschränkt. Später kamen neue Länder, neue Daten und neue Themen dazu.

Mittlerweile arbeiten wir im zwölften Jahr an der SISTRIX Toolbar.

Sieht Johannes Beus sich selbst als Online Marketing Experte?

OME: Ich finde es beeindruckend, wie du dieses Produkt aufbauen konntest. Nimmst du dich selbst als Experte wahr? Viele Experten tun sich damit ja schwer.

JOHANNES BEUS: Das ist vermutlich das Ergebnis der täglichen Arbeit.

Wahrscheinlich blickt man viele Jahre später zurück und erkennt, was man erreicht hat, aber wenn man sich jeden Tag damit beschäftigt, nimmt man das nicht so wahr.

In vielen wichtigen Phasen meines Lebens herrschten keine wirtschaftlich guten Zeiten in Deutschland.

Als ich 2002 mein Abitur und mich selbstständig gemacht habe, ist der neue Markt explodiert. 

Das Internetbusiness ist zusammengebrochen. Alle Startups aus Berlin sind Pleite gegangen. Es war eine schwierige Zeit, aber wir haben es trotzdem geschafft, Geld zu verdienen.

Als ich 2008 mit der Toolbox online gegangen bin, sind gerade die Lehman Brothers Pleite gegangen. Daraus resultierte eine riesige Finanzkrise.

Zwei Jahre lang hat niemand irgendjemandem vertraut. Die E-Wirtschaft ist um zehn Prozent gesunken.

Ich wurde unternehmerisch schon immer von schlechten Zeiten begleitet. Ich habe große Entscheidungen nie in guten, sondern immer in wirtschaftlich schwierigen Zeiten getroffen.

Das hat vermutlich auch dazu geführt, dass wir in vielen Bereichen wirtschaftlich sinnvolle Entscheidungen treffen.

Wir haben nie Geld ausgegeben, das uns nicht gehört. Wir haben uns nie fremdfinanzieren lassen oder im Voraus schon Geld ausgegeben, dass wir in Zukunft verdienen wollten.

Stattdessen haben wir darauf vertraut, dass wir gute Leistungen erbringen, und das dadurch verdiente Geld in weiteres Wachstum investieren können.

Aber erst, wenn wir dieses Geld wirklich verdient haben – nicht schon vorher.

Es hat sich ohnehin nie angeboten. 2002 und 2008 waren einfach keine Jahre, in denen man Geld von irgendwem bekommen hätte.

Im Nachhinein war das für unsere Firma auch sehr gut, da wir keine Interessenskonflikte haben.

Wir haben keine Geldgeber, die auf Kosten von Kunden, Nachhaltigkeit oder Entwicklung um jeden Preis ein exponentielles Umsatzwachstum sehen wollen. 

Johannes Beus‘ Entwicklung als Unternehmer

OME: Du bist also nicht nur Online Marketing Experte, sondern auch Unternehmer und Geschäftsführer. 

Wie hast du dich als Unternehmer weiterentwickelt? Wo bist du an deine Grenzen gekommen? Wie hast du Probleme gelöst? Wie hast du Entscheidungen getroffen? 

JOHANNES BEUS: Das ist eine spannende Frage. Ich habe nach dem Onlinegang in 2008 ein Jahr lang komplett alleine an SISTRIX gearbeitet.

Es war wie schon gesagt eine sehr unsichere Zeit mit der Weltfinanzkrise im Hintergrund. Das war eigentlich keine geeignete Zeit, um langfristige Entscheidungen zu treffen.

Ich habe also erst einmal dafür gesorgt, dass die notwendigen Daten vorhanden sind, dass weiterentwickelt wird und der Support läuft.

Erst dann habe ich angefangen, Mitarbeiter einzustellen. Wir sind also auch vom Personal her langsam gewachsen.

Ich hatte nie das Ziel, 100 oder 1.000 Mitarbeiter einzustellen. Meine Ziele waren immer eher produktbezogen: Ein bestimmtes Feature, neue Daten oder ein besseres Nutzererlebnis.

Von dort habe ich rückwärts gedacht. Welche Ressourcen und Möglichkeiten brauche ich, um dieses Ergebnis zu erzielen?

Da war für mich klar, dass ich Mitarbeiter einstellen sollte, die diese Ziele gemeinsam mit mir erreichen.

OME: Liest du auch hin und wieder Bücher? Beziehungsweise, findest du als Geschäftsführer und Familienvater Zeit dafür?

JOHANNES BEUS: Ich lese viel und auch relativ schnell, wird mir nachgesagt. 

Ich bin jeden Tag eine Stunde lang mit dem Fahrrad unterwegs zum Büro und zurück. Dabei höre ich zum Beispiel Podcasts oder Hörbücher.

Auf dem Hinweg bringe ich zehn Minuten lang die Kinder zur Schule und habe dann noch zwanzig Minuten für mich, auf dem Rückweg habe ich noch einmal dreißig Minuten.

Und die Kinder sind ja auch um acht Uhr im Bett.

OME: Warst du schon mit deiner Frau zusammen, als du 2008 mit der SISTRIX Toolbox online gegangen bist?

JOHANNES BEUS: Ja. Da waren wir schon zusammen. 

OME: Und was hat sie dazu gesagt? Hat sie sich nicht gefragt, wie man mit diesem Produkt Geld verdienen soll?

JOHANNES BEUS: Nein, das war kein Problem. Ich habe schließlich auch nie alles auf eine Karte gesetzt.

Ich war ja hauptberuflich Consultant und habe erst nur nebenbei an der Toolbox gearbeitet. Der Übergang war fließend.

Nach dem Start war ich mit der Toolbox schnell auch finanziell erfolgreicher als mit dem Consulting, da ich nicht mehr tageweise meine Anwesenheit verkauft habe.

Tagessätze lassen sich nur bis zu einem gewissen Grad steigern. Bei sehr hohen Tagessätzen wird zusätzlich Vorbereitung erwartet.

Das bedeutet, dass mein Tagessatz quasi nicht die Bezahlung für einen Tag war, sondern für die Anreise, die Vorbereitung und anschließend noch die Beantwortung von Fragen.

Der Übergang von der Beratungstätigkeit zur Produkttätigkeit kam also nach und nach.

OME: Und während du in den Hotelzimmern gesessen hast, hast du abends programmiert?

JOHANNES BEUS: Genau, aber auch von zu Hause. 

Die Grundlage dazu ist natürlich auch, dass diese Auswertungen der Analysen der Praxis nahe waren. Bei meinen Beratungen habe ich selbst festgestellt, dass den Leuten konkrete Zahlen fehlen.

Sie haben kein Verständnis dafür, wie groß ihr Wettbewerb aktuell ist.

Die klassische Vorgehensweise vieler Unternehmensberater war damals, ins Unternehmen zu gehen, sich deren Webseite anzusehen und ihnen zu sagen, was sie alles besser machen sollten.

Das ist kein guter Auftakt.

Man hat eine viel bessere Diskussionsgrundlage, wenn man den Kunden zeigt, was sie bereits gut machen, was der Wettbewerb aber noch besser macht und wie man dieses Potenzial umsetzt.

OME: Dein Team ist mittlerweile gewachsen und du hast die Anforderungen an Programmierexperten und Developer selbst kennengelernt.

Johannes Beus über die Unternehmensförderung in Deutschland

Siehst du in Deutschland als Marketing Unternehmer nach deiner Erfahrung noch Verbesserungspotenzial? Denkst du zum Beispiel, dass du an manchen Stellen in deiner Karriere gerne mehr Unterstützung gehabt hättest?

JOHANNES BEUS:  Das war, ehrlich gesagt, nie mein Anspruch. 

Ich habe nie öffentliche Förderung oder Unterstützung in Anspruch genommen. Das entspricht nicht meinem Naturell.

Ich hatte einen anderen Grundsatz: Wenn ich gewinnen will, will ich selbst gewinnen und nicht dorthin getragen werden.

Im Großen und Ganzen finde ich die Bedingungen in Deutschland gut.

OME: Wie sieht es mit der Internetleitung aus?

JOHANNES BEUS: Die Internetverfügbarkeit ist natürlich ein großes Thema. Hier ist es meine Aufgabe als Unternehmer, eine sinnvolle Lösung zu finden.

Als wir in diesem Büro eingezogen sind, hatten wir eine DSL 50 Leitung von der Telekom. Die war nicht sehr schnell.

Die Lösung war, dass NetCologne mit einem Bagger angerückt ist und ein Glasfaserkabel in die Erde gelegt hat.

Das war in Summe natürlich sehr teuer, aber die Arbeiten erfolgten nach und nach über zwei Jahre. Anschließend hatten wir symmetrisches Internet mit sehr guter Geschwindigkeit.

So konnten wir eine dauerhafte Lösung schaffen. Das sollte der Anspruch eines Unternehmers sein. Man sollte sich nicht dahinter verstecken, dass andere etwas nicht machen, sondern selbst eine Lösung finden, die funktioniert.

Das sagt der Experte zu internationalen Dienstleistungen

OME: Viele Unternehmen kaufen mittlerweile Dienstleistungen aus dem Ausland ein. Wie siehst du diesbezüglich die Entwicklung für SISTRIX? Werdet ihr auch internationale Lösungen suchen?

JOHANNES BEUS: Unsere Stärke bei SISTRIX ist, dass wir Produkte sehr schnell entwickeln können. Wir können schnell Entscheidungen treffen und iterieren – also von Version zu Version wechseln.

Wir entwickeln etwas, probieren es aus und haben am nächsten Tag die nächste Version fertig.

Die Toolbox ist dadurch mittlerweile weit über Version 100.000 hinaus, da wir täglich kleine Änderungen integrieren. Diese Arbeitsweise kann man nicht erreichen, wenn man weltweit mit Dienstleistern zusammenarbeitet.

Wenn gleichzeitig Mitarbeiter in Malaysia, Indien und Amerika an einer Entwicklung arbeiten, hätten wir viel längere Zyklen, um weiterzukommen. Die kurzen Zyklen sind jedoch gerade unsere Stärke.

Diese schnellen Entwicklungen werden möglich, wenn man lange mit den gleichen Leuten zusammenarbeitet. Sie wissen, wie ich ticke. Dadurch muss ich nicht jede Kleinigkeit erklären.

Wir haben ein gemeinsames Verständnis davon, wie ein Produkt aussehen muss und mit welcher Geschwindigkeit und Qualitätserwartung wir arbeiten.

Das funktioniert bei uns sehr gut, da wir sehr eng und persönlich zusammenarbeiten. Wir kennen uns lange und gut und haben dadurch gegenseitigen Respekt für die Fähigkeiten der anderen entwickelt.

Deshalb halte ich es für unwahrscheinlich, dass wir irgendwann Teile der Firma ins Ausland verlagern. Ich kenne auch kaum Beispiele, bei denen ein solcher Schritt zu guten Produkten geführt hat.

OME: Seid ihr ein Ausbildungsbetrieb?

JOHANNES BEUS: Wir bilden nicht aus. 

OME: Welche Erkenntnisse haben dich zu dieser unternehmerischen Entscheidung geführt? Kannst du das sagen?

JOHANNES BEUS: Wir haben das noch nicht groß geprüft. Wir entwickeln uns als Firma auch noch zu schnell, um für drei Jahre Verantwortung übernehmen zu können. 

Ich habe es bislang noch nicht als meine Aufgabe gesehen, neue Mitarbeiter auszubilden. Ich will die richtigen Leute für meine Firma finden, mit denen ich gut arbeiten kann, aber ich habe mir nie zur Aufgabe gemacht, Leute dorthin zu bringen.

Ich komme gut mit Leuten zurecht, die selbst motiviert sind, einen eigenen Antrieb haben und mit denen ich ein gemeinsames Verständnis und einen gemeinsamen Anspruch an unsere Arbeit teile.

Aber ich tue mich schwer mit Leuten, denen ich acht Mal die gleiche Sache erklären muss. Das fällt mir einfach schwer. Das kann ich nicht.

OME: In zehn Jahren: Gibt es da noch PHP-Programmierer in Deutschland, die das neu gelernt haben?

JOHANNES BEUS: Das kann man nicht wissen. Meiner Erkenntnis nach ist jedoch die konkrete Fähigkeit nicht so wichtig, solange die Einstellung stimmt.

Es ist nicht entscheidend, ob jemand in PHP, in Python oder im Support die richtige Fähigkeit mitbringt. Es ist viel entscheidender, dass er sich das beibringt, was er für die Arbeit braucht.

Es ist klar, dass wir alle in den nächsten dreißig Jahren noch viel lernen müssen. Das kann man nur, wenn man die richtige Einstellung hat und sich regelmäßig mit neuen Themen beschäftigt.

Das ist viel entscheidender als Fähigkeiten. 

Die Grundeinstellung zur Bereitschaft, auch selbstständig neue Dinge zu lernen, ist für uns viel Wichtiger als das, was unsere Mitarbeiter von Anfang an können.

Es gibt zwei verschiedene Einstellungen. Manche Leute wollen, dass man ihnen Dinge erst beibringt, und andere bringen es sich selbst bei.

In unserem Team funktionieren am besten die Leute, die sich selbst Dinge beibringen. Mit denen, die erst etwas beigebracht bekommen wollen, kommen wir nicht so gut zurecht.

Wir schaffen Möglichkeiten und Rahmenbedingungen, wir unterstützen unsere Mitarbeiter, aber wir bringen nicht das Wissen in ihre Köpfe. Das muss aus Eigeninitiative und Eigenmotivation passieren.

Online Marketing Experte Johannes Beus wirft einen Blick in die Zukunft

OME: Wohin wird sich Deutschland in den nächsten zehn Jahren deiner Einschätzung nach entwickeln? Haben wir 2030 autonomes Fahren? Werden alle aus dem Home Office arbeiten?

JOHANNES BEUS: Ich glaube, die wichtige Erkenntnis ist, dass man es nicht wissen kann.

Viele wollen gerne wissen, wie es in zehn oder zwölf Jahren aussieht. Ich glaube jedoch, dass man sich eingestehen muss, dass es keiner weiß. Man muss lernen, mit dieser Unsicherheit umzugehen.

Dazu muss man eine hohe Flexibilität entwickeln, die es einem ermöglicht, sich anzupassen. Es bringt nichts, auf eine Wunschzukunft hinzuarbeiten, die so niemals eintreten wird.

Es ist vollkommen ausgeschlossen, dass alles in 2030 genauso eintritt, wie du es dir jetzt vorstellst. Es wird einfach anders sein.

Das sieht man auch jetzt schon. Anfang des Jahres gibt es immer Vorausblicke von SEO Experten für die Trends des Jahres.

Wenn man sich diese Vorausblicke am Ende des Jahres noch einmal ansieht, sind die meisten nicht eingetroffen.

Und wenn man nicht einmal für ein einziges Thema zwölf Monate im Voraus planen kann, ist es vollkommen unmöglich, für ein ganzes Land zehn Jahre vorauszublicken.

Die einzige Erkenntnis, die man daraus ziehen kann, ist, dass man flexibel sein muss. Man muss als Organisation dazu in der Lage sein, Entwicklungen zu erkennen und schnell Entscheidungen zu treffen, um sich neuen Rahmenbedingungen anzupassen.

OME: Wie empfindest du denn in Deutschland oder Europa die Möglichkeit, flexibel zu sein? Zum Beispiel in Bezug auf die technische Ausstattung von Schulen oder die Netzabdeckung mit 5G?

JOHANNES BEUS: Meiner Meinung nach ist die Grundaufgabe von Schulen nicht, spezifische Fähigkeiten zu lehren, sondern Grundlagen zu legen.

Lesen, schreiben, Grundlagen der Mathematik, Zusammenhänge.

Das passiert heute natürlich in einem anderen Kontext mit anderen Lernmethoden und Werkzeugen, aber ich halte es nicht für super wichtig, dass Schulen an der Front der technologischen Entwicklung stehen.

Das sind Fähigkeiten, die sich erwachsene Menschen später selbst aneignen können und müssen. Das wichtige ist, dass man ihnen beibringt, wie man sich diese Fähigkeiten aneignet.

Zum Thema 5G kann ich mich schlecht beschweren, schließlich ist Bonn die erste Stadt, die 5G kriegt. 

Am Bahnhof stehen bereits die ersten Antennen. Wenn du ein 5G-fähiges Handy findest, kannst du direkt loslegen.

OME: Das klingt nach einem schönen, positiven Schlusswort. Vielen Dank für das interessante Gespräch.

JOHANNES BEUS: Ich danke dir.

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