„Mein Spezialgebiet ist es, nach dem ‚Warum‘ zu fragen.“
– Online Marketing Experte Johannes Dultz
OnlineMarketingExperten.de zu Gast bei Johannes Dultz
Johannes Dultz setzt sich mit seiner Agentur SameMission für Startups ein, die wirklich etwas bewegen wollen. Sein Ziel ist es nicht, als Online Marketing Experte das große Geld zu machen, sondern mit erfolgreichem Marketing wichtige Themen in den gesellschaftlichen Fokus zu rücken.
Wir freuen uns, dass wir den Impact Startup Experten in Stuttgart besuchen und interviewen durften. Deshalb teilen wir das Ergebnis unseres Gesprächs nur zu gerne mit Ihnen.
Johannes Dultz im Gespräch
OME: Wann hast du deinen ersten Computer bekommen?
JOHANNES DULTZ: Das ist schwer zu sagen, da ich nicht mit einem Computer angefangen habe, sondern mit einer elektronischen Schreibmaschine.
Mein Vater war immer vorne mit dabei, wenn es um Computer ging. Deshalb hat er sich recht früh eine elektronische Schreibmaschine geholt.
Als Lehrer für Gemeinschaftskunde und Mathe wollte er alles eintippen.
Ich war fasziniert davon, dass man auf dem Gerät auch Tetris spielen konnte. Nach den Hausaufgaben durfte ich immer eine Runde Tetris spielen und Tippen üben.
Ich hätte gerne einen Gameboy gehabt, doch das haben meine Eltern nicht erlaubt. Wir hatten für eine lange Zeit auch nur 3 Fernsehkanäle.
Die Internetanfänge des Experten
OME: Bist du ein Kind der 80er?
JOHANNES DULTZ: Ich wurde 1984 geboren.
Mein Vater kam ursprünglich aus Ost-Berlin. Als er acht Jahre alt war, ist seine Familie mit einem Flugzeug geflüchtet.
Meine Mutter hat er später in Freiburg kennengelernt. Sie ist gebürtige Freiburgerin. Ich bin also zur Hälfte Freiburger und zur Hälfte Berliner.
Meine Eltern haben oft versucht, mich für Musikinstrumente zu begeistern. Das hat nicht so gut funktioniert.
Sie haben mich zwar oft erwischt, wie ich heimlich Klavier gespielt habe, aber wenn ich spielen sollte, habe ich es nicht gemacht.
Ich erinnere mich noch an eine Zeit, in der ich Blockflötenunterricht nehmen sollte. Der Lehrer hat irgendwann meine Eltern darum gebeten, mich zum Üben nicht mehr in den Unterricht zu lassen, da ich die anderen aufhalte.
Irgendwann haben meine Eltern festgestellt, dass ich sehr gut mit den Fingern arbeiten kann – allerdings nicht am Klavier, sondern an der Tastatur. Dieses Talent habe ich immer weiter ausgebaut.
Den ersten Rechner hat mein Vater sich für die Schule gekauft, aber wenn er ihn nicht benutzt hat, durfte ich Solitaire und Minesweeper spielen.
Als ich begonnen habe, das Internet zu benutzen, gab es noch gar keine Suchmaschinen. Webseiten konnte man nur durch gegenseitigen Austausch oder durch Verlinkungen auf anderen Seiten finden.
So ist auch mein Verständnis von der Entstehung von Google. Der Grundgedanke war, eine Webseite zu entwickeln, auf der möglichst viele Seiten indexiert sind – Wie in einer riesigen Bibliothek.
Mit diesem Vergleich erkläre ich Kunden oder Freunden gerne, wie eine Suchmaschine funktioniert. Google ist ein Bibliothekar. Warum sollte der Bibliothekar dein Buch nach vorne stellen?
Die ersten Domains, die mir einfallen, waren autsch.de und uglypeople.com. Das war damals der Internet Humor.
OME: War uglypeople.com so ähnlich wie das heutige Pinterest?
JOHANNES DULTZ: uglypeople.com diente dazu, Bilder von gesellschaftlich gesehen unattraktiven Menschen zu zeigen. Es war eine dieser Seiten, die man gut herumzeigen konnte.
Auf autsch.de wurden lustige Clips zum Download angeboten.
Später kamen dann die LAN Partys dazu. Zu Beginn haben wir Warcraft 1 gespielt, später dann Starcraft.
Ich war aber nie sonderlich gut darin. Einige meiner Freunde haben aber schon damals in der National Mannschaft gespielt.
Das Problem war, dass die Internetleitungen damals nicht gut genug waren, um online miteinander zu spielen. Deshalb haben wir uns bei unseren LAN Partys am Wochenende offline vernetzt, wenn einer von uns Sturmfrei hatte.
Wenn wir schnelles Internet brauchten, zum Beispiel um lustige Bilder herunterzuladen, hatten wir die Möglichkeit, am Wochenende zu einer Uni in Basel zu fahren, die von dem Vater eines Freundes geleitet wurde.
Dort gab es schon schnelles Internet.
Weil ich nicht so gut im Zocken war, habe ich mich im Internet eher mit der Kommunikation beschäftigt.
Ich habe in anonymen Chats Personen kennengelernt und mir dann deren Telefonnummern geben lassen, um sie über eine Telefonzelle anzurufen. Ich habe also Freunde per Social Engineering gefunden.
Das war besonders interessant, als wir angefangen haben, uns mit Mädchen zu treffen. Alle haben um die Mädchen gebuhlt und mein Hauptziel war es, Telefonnummern zu bekommen.
Ich habe vor kurzem meine Abiturzeitung wiedergefunden. Meine Mitschüler hatten die Aufgabe, ein Wort auszuwählen, das mich besonders gut beschreibt. Sie wählten das Wort „Warum“.
Ich habe mir ein tolles Team mit großartigen Leuten aufgebaut. In diesem Team ist es mein Job, immer nach dem „Warum“ zu fragen.
Jeder von uns hat neben allgemeinem Online Marketing Wissen auch eine Spezialbegabung. Mein Spezialgebiet ist es, nach dem „Warum“ zu fragen.
Wenn der Kunde schon zufrieden ist, fehlen mir noch fünf Prozent, die optimiert werden müssen. Dann wird das Ergebnis perfekt.
Inzwischen ist dieses Hinterfragen Teil meines Berufs, aber in der Schule war ich genauso. Ich habe schon damals den Status Quo hinterfragt und bin damit meinen Lehrern auf die Nerven gegangen.
In der neunten Klasse hatte ich bereits 187 Klassenbucheinträge.
OME: Bist du dann von der Schule geflogen?
JOHANNES DULTZ: Nein, nein. Ich war ja nicht böse, ich war nur unbequem und habe viel geredet. Aber ich war immer gut in der Schule, obwohl ich nie gelernt habe.
Meine Noten waren stark lehrerabhängig. Wenn der Unterricht mich fasziniert hat, hatte ich eine eins. Wenn nicht, hatte ich eine vier.
Meine Faszination für das Internet wurde während unserer Ausflüge in die Uni geweckt, in der wir das Internet nutzen konnten.
Dabei habe ich gemerkt, dass das Internet mehr ist als nur bunte Bilder. Es ist eine ganz neue Welt.
OME: Haben deine Freunde das auch so gesehen?
JOHANNES DULTZ: Nein, meine Freunde haben sich hauptsächlich mit dem Zocken beschäftigt. Dafür habe ich mich nicht so sehr interessiert, da die anderen deutlich besser waren als ich.
Gezockt habe ich, wenn ich alleine zuhause war. Allerdings war mein Rechner nicht der schnellste. Deshalb bin ich in den Videospielen nie wirklich besser geworden.
Ich habe mich mehr für die Kommunikation interessiert und wollte wissen, wofür ich das Internet noch nutzen kann.
Mein Problem war schon in der Schule, dass mir vieles zu langsam voran geht. Mit 30 habe ich herausgefunden, dass ich vermutlich als Kind ADHS hatte.
Rückblickend betrachtet, ergeben dann viele Schwierigkeiten in meinem Leben einen Sinn. Jetzt weiß ich, warum die Schule und andere Menschen mich oft gelangweilt haben: Weil sie mir zu langsam waren.
Dadurch, dass ich meine PCs stetig aufrüsten konnte, sind sie mit meiner Geschwindigkeit mitgewachsen. Auch das Internet ist gewachsen, deshalb war es immer eine gute Beschäftigung für mich.
Ich war der etwas andere Nerd. Tagsüber habe ich gerne Fußball gespielt. Ich war sozial engagiert und beliebt, hatte jedoch immer meine Probleme mit Obrigkeiten.
Nachts habe ich mich an den PC gesetzt und mich mit dem Internet beschäftigt.
Mit elf oder zwölf habe ich Mathias Valentin kennengelernt – einen der größten IT Sicherheitsgurus der Welt, der am ICSI in Berkeley seinen Doktor gemacht hat.
Er hat sich schon damals viel mit dem Internet beschäftigt und mir viel gezeigt. Auch zu der Zeit gab es noch keine richtigen Suchmaschinen, sondern Bulletin Boards und VBS Boards.
Mathias Valentin war schon damals sehr aktiv in dieser Szene und konnte mich ebenfalls dort etablieren. So habe ich den Zugang zum Valley erhalten.
Ich habe mich später dazu entschieden, mich lieber auf ein Freesoft Board zu konzentrieren. Dort habe ich mir gemeinsam mit drei Leuten, die ich nur Online kannte, einen Namen gemacht.
Nachdem unser Team schon nicht mehr zusammengearbeitet hat, habe ich einen von ihnen persönlich kennengelernt – die anderen nie.
OME: War das eine besondere Erfahrung?
JOHANNES DULTZ: Nein, es war normal für uns, mit Personen zu kommunizieren, deren Namen man noch nicht einmal kannte. In den Foren wurden noch keine Klarnamen verwendet.
Mit dem Teammitglied, das ich kennengelernt habe, bin ich immer noch gut befreundet. Er ist mittlerweile PR- und Kommunikationsleiter einer großen Plattform für Navigationsgeräte.
Durch unsere gemeinsame Arbeit habe ich festgestellt, dass ich gerne die Marketing Richtung einschlagen würde.
Die Schulzeit von Johannes Dultz
Den ersten Kontakt zu Suchmaschinen hatte ich in der Schule. Unser Gemeinschaftskundelehrer hat an einem großen Projekt teilgenommen.
Er durfte mit 20.000 Mark Budget an der Vorversion der ersten Suchmaschine arbeiten, die Zugriff auf einige eingescannte Zeitungsartikel hatte. Jeder von uns durfte mit der Suchmaschine recherchieren und ein Projekt entwickeln.
Ich habe in diesem Rahmen einen Vortrag über die OPEC gehalten und war sehr beeindruckt davon, Zugriff auf über 20.000 Zeitungsartikel dafür zu haben.
Doch auch dabei ist mir schnell langweilig geworden, deshalb habe ich den Rechner von unserem Lehrer gehackt und ihn zum Beispiel heruntergefahren, wenn gerade etwas projiziert wurde.
Bis zu meinem Abitur 2004 wusste ich noch nicht, dass ich mit meiner Computeraffinität Geld verdienen könnte.
Während der Abiturphase habe ich mich öfter mit meinem IT Lehrer angelegt, da mir der Unterricht dort zu langweilig war. Er hatte einfach mehr von mir erwartet.
Als wir eine Webseite mit Java Script programmieren sollten, habe ich eine Hotelbooking Webseite für die Malediven aufgebaut.
Es ärgert mich bis heute, dass sie nur auf dem Schulserver lag und nie veröffentlicht wurde. Sonst hätte ich vielleicht Booking.com erfunden.
Ich habe bei der Erstellung der Malediven Webseite auf viele Dinge geachtet, die in der Webseitenerstellung noch nicht üblich waren.
Darunter waren zum Beispiel Farbpsychologie, ein Buchungsformular, eine Payment Lösung und ein dynamischer Hintergrund. Dennoch habe ich nur 13 Punkte dafür bekommen.
OME: Was hat deinem Lehrer gefehlt?
JOHANNES DULTZ: Er mochte mich nicht. Ich bin oft zu spät zum Unterricht gekommen, habe Pizza im Klassenraum gegessen und vor Klausuren immer schon Webseiten vorbereitet, die ich nur noch herunterladen musste.
All das hat dazu geführt, dass mein Lehrer mich einfach nicht mochte.
Eine andere Schülerin hat für eine Webseite 15 Punkte bekommen, die zwar optisch ansprechend aber absolut nicht Usability friendly war.
Darüber habe ich mich so sehr geärgert, dass ich mich beim Direktor beschwert habe. Bei unserem Direktor hatte ich einen guten Stand, da ich häufig dabei geholfen habe, Schulpartys zu organisieren.
Ich habe unserem Direktor also erklärt, dass ich eine perfekte Webseite abgeliefert und dafür nur 13 Punkte bekommen hatte. Deshalb hat er meinen Lehrer um eine Stellungnahme gebeten.
Mein Lehrer hat damit argumentiert, dass meine Farbwahl ihm nicht gefallen hätte. Ich konnte seine Argumente aber leicht durch die Farbpsychologie, die ich angewendet hatte, wiederlegen.
So habe ich dann doch 15 Punkte bekommen. Du kannst dir bestimmt vorstellen, wie sehr mich mein Lehrer danach gemocht hat.
Nach der Schule wusste ich, dass ich mit meinen Computerfähigkeiten Geld verdienen kann. Auch in meiner Schulzeit habe ich die ersten Jobs in dem Bereich gemacht.
Genau genommen war ich schon mit vier Jahren sehr geschäftstüchtig. Ich habe Mirabellen, Kirschen, Johannisbeeren und Kristalle aus unserem Garten auf der Straße verkauft, denn ich wollte Geld für Kaugummis und Sticker verdienen.
Mein Geschäft lief so gut, dass eine unserer Nachbarinnen meine Mutter sogar gefragt hat, ob ich einen Gewerbeschein habe.
In einem Sommer habe ich sogar von meinen Eltern Miete für unsere eigene Badewanne genommen – 10 Pfennig für ein kaltes Bad.
Mein Vater war davon nicht begeistert, doch meine Mutter hat mich in Schutz genommen. Ich war jung und brauchte das Geld für lustige Taschenbücher.
Der Status Quo hat mich geärgert, deshalb habe ich eine Lösung gefunden. Für mich bedeutet ein ungünstiger Status Quo, dass ich etwas daran ändern muss.
Dieser Drang, Lösungen finden zu wollen, hat sich durch meine gesamte Schulzeit gezogen. Ich kann gar nicht alle Jobs aufzählen, die ich zu der Zeit hatte, aber eine spannende Geschichte möchte ich dazu noch erzählen.
Mein erstes Auto habe ich für einen Euro bekommen. Es war ein alter Opel Corsa, Baujahr 88.
Der Meister, der ihn mir verkauft hat, kann aus dem Osten und hatte Probleme dabei, seinen Meistertitel anerkannt zu bekommen. Deshalb hat er am Wochenende hin und wieder schwarzgearbeitet.
Er hat mir angeboten, mir beim Instandsetzen des Opels zu helfen, wenn ich ihm im Gegenzug an den Wochenenden bei seinen Jobs helfe. An den Wochenenden haben wir also Autos geschraubt und Bier getrunken.
Unter anderem haben wir ein halbes Jahr lang an einem Traktor gearbeitet. Ich habe dafür 10 Mark in der Stunde bekommen, die ich dann wiederum in neue Technik für mein Auto investiert habe.
Ich habe mich einfach gerne ausprobiert.
OME: Hast du diesen Antrieb auch heute noch?
JOHANNES DULTZ: Definitiv. Am meisten fasziniert mich am Online Marketing, dass ich dort immer wieder neue Dinge ausprobieren und die alten in Frage stellen kann.
Ich liebe es, Methoden auszuprobieren, die den meisten Kunden noch zu riskant sind. Unsere Kunden möchten etwas haben, was funktioniert.
In wettbewerbsreichen Branchen wie SEO, können Dinge jedoch nur funktionieren, wenn wir Sachen ausprobieren, die noch nicht ausprobiert wurden.
So funktioniert nachhaltige Suchmaschinenoptimierung.
Johannes Dultz über seine Eventagentur und die Anfänge des Social Media Marketings
OME: Wie ging deine berufliche Laufbahn nach der Schule weiter?
JOHANNES DULTZ: Meine erste Online Agentur habe ich 2009 gegründet. Davor habe ich als Freelancer gearbeitet und einige Jobs ausprobiert.
Während der Schulzeit wollte ich Anwalt werden, da ich ein sehr gerechtigkeitsliebender Mensch bin. Ich habe auch einige Praktika in Anwaltskanzleien gemacht.
Nach dem Abitur habe ich jedoch gesehen, was man für ein Jurastudium alles machen muss, und habe mich dann dagegen entschieden.
2005 war ich in der Freiburger Partyszene aktiv. Mein Cousin war Geschäftsführer von drei Locations, deshalb kannte ich mich sehr gut in den Clubs und Kneipen aus.
Auf diese Weise habe ich die Betreiber der Portals freiburgeins.de kennengelernt und ihnen geholfen, Traffic über Partyfotografen aufzubauen.
Damals gab es die DSGVO noch nicht. Es gab auch noch keine Handykameras, deshalb konnten Partygäste Fotos noch nicht selbst machen.
Um die eigenen Bilder herunterzuladen, musste man sich also auf dem Portal einloggen. So konnten wir viel Traffic generieren.
Ich habe den Betreibern mit meinen Verbindungen zur Partyszene geholfen und später ein Team aus 50 Personen geleitet. Das Unternehmen hat sich jedoch nicht lange gehalten, da wir keine Einnahmen genommen haben und Getränke und Eintritt bezahlen mussten.
Da ich danach etwas anderes machen wollte, habe ich 2006 eine Event Marketing Agentur gegründet. Ich habe schon immer gerne Partys geschmissen.
Mein Ziel war es, nach jeder Party die Location zu wechseln. Ich wollte zeigen, dass man nicht nur auf die Stammkundschaft vertrauen muss. Außerdem fand ich es langweilig, immer wieder die gleiche Location zu benutzen.
Mein Stammpublikum habe ich unter anderem über StudiVZ Gruppen aufgebaut. Portale wie StudiVZ waren auch ein Grund für den Untergang von freiburgeins.
In den StudiVZ Gruppen habe ich unter anderem DJ Sets zum Download angeboten und Gewinnspiele veranstaltet, um die Gäste zu locken. Ich habe auch damals schon mit Influencern gearbeitet.
Ich habe nach Personen mit großer Reichweite gesucht und sie umsonst auf die Gästeliste gesetzt. Dadurch sind dann teilweise 30 bis 40 weitere Gäste gekommen.
Zusätzlich dazu habe ich Flyer erstellt, in die teilweise 10 Stunden Arbeit geflossen ist, damit ich sie perfekt fand.
Außerdem haben wir Aktionen veranstaltet. Wir hatten Mottopartys oder Aktionen, bei denen unsere Gäste sich freien Eintritt erwürfeln konnten.
Unsere Partys waren so beliebt, dass die DJs gar nicht im Vordergrund standen. Dadurch hatten wir eine sehr hohe Gewinnmarge.
OME: Wie groß war deine größte Party?
JOHANNES DULTZ: Da waren vielleicht 3.000 Gäste.
Ich wollte allerdings gar keine großen Partys veranstalten, sondern es klein halten mit einem Kundenstamm aus coolen Leuten, die weitere coole Leute mitbringen.
Wenn die Party zu groß wird, kommen auch Personen, die ich lieber nicht dabei haben möchte.
OME: Wie viele Partys hast du mit deiner Eventagentur ungefähr veranstaltet?
JOHANNES DULTZ: Das kann ich nicht genau beantworten. Vermutlich waren es um die 50.
Später haben wir Anfragen von den ersten Kunden bekommen. Unsere erste Kundenparty war für eine Frauen Basketball Bundesligamannschaft, da ich gute Kontakte in die Sportszene hatte.
Mit dieser Party kamen wir direkt in die Zeitung, wodurch wir zahlreiche Folgeaufträge generieren konnten.
Nach und nach habe ich versucht, unsere Werbung hauptsächlich digital auszulegen. Ich wollte ausprobieren, was ich ohne Werbebudget nutzen kann.
Flyer und Plakate waren in Ordnung, aber ich konnte nie messen, wie viel mir eine Printaktion bringt. Ich wollte weniger Werbebudget nutzen, um dafür zum Beispiel die DJs besser zu bezahlen.
Es ging mir nie wirklich darum, das große Geld zu verdienen. Ich wollte eher beweisen, dass man mit innovativen Konzepten jede Location füllen und eine große, feste Community aufbauen kann.
OME: Würdest du sagen, dass du oft versuchst, anderen und dir selbst etwas zu beweisen?
JOHANNES DULTZ: Ja, das stimmt schon.
Jeder macht seine Fehler, auch manchmal mit Anlauf. Ein Satz hat sich mir jedoch eingeprägt: Das schönste im Leben ist es, etwas zu erreichen, was andere nicht für möglich gehalten hätten.
Meine Event Marketing Agentur ist leider Pleite gegangen als ich 23 war. Wir wollten wachsen und sich dabei gescheitert. Das war natürlich nicht schön, besonders da wir so bekannt waren.
Unsere Mentalität in Deutschland erlaubt es nicht, zu scheitern. Wenn du scheiterst, wird mit dem Finger auf dich gezeigt und behauptet, „man hätte es schon immer gewusst“.
Nach der Pleite der Agentur habe ich einen Monat lang Pause gemacht. Ich habe mir eine neue SIM Karte geholt und war einen Monat lang nicht im Internet.
Nach zwei Wochen Camping und einer Woche Berlin habe ich dann meine nächste Firma gegründet, die ich später an die Bank-Media Gruppe verkaufen konnte.
Mit Social Media Natives haben wir uns genau zu dem Zeitpunkt auf Social Media positioniert, als der Hype gerade aufkam.
Wir dachten, dass die meisten Kunden an der Umsetzung von Social Media Maßnahmen interessiert wären. Dabei haben wir uns jedoch geirrt.
Die meisten wollten erst einmal verstehen, was Social Media überhaupt ist. Das habe ich bei meinem ersten Vortrag vor vielen Marketingleitern aus Süddeutschland, Italien und der Schweiz gemerkt.
Ich habe den Vortrag nach 50 Minuten abgebrochen, da ich die Angst und die Fragen in den Gesichtern des Publikums gesehen hatte. Daher habe ich aus dem Vortrag eine Fragerunde gemacht.
„Mein Chef möchte, dass wir Social Media machen, aber ich habe keine Ahnung, was ich tun soll.“ – „Muss ich regelmäßig etwas posten oder muss ich nur die Kanäle beobachten?“
Dabei habe ich gemerkt, dass unser Business nicht umsetzen, sondern erklären muss.
OME: Wie bist du auf die Idee gekommen, eine Social Media Firma zu gründen?
JOHANNES DULTZ: Die Inspiration dazu bekam ich in Berlin. Ich kannte den Begriff Social Media vorher noch gar nicht.
In Berlin habe ich jemanden getroffen, der für seine Bachelorarbeit Social Media zur Vermarktung genutzt hat. Ich habe mir dann von ihm erklären lassen, was Social Media bedeutet.
Dabei habe ich festgestellt, dass ich schon mit meiner Event Marketing Agentur Social Media in Form der StudiVZ Gruppen eingesetzt habe. Mittlerweile war es zu einem richtigen Business geworden.
Unser Motto bei Social Media Natives war „The Experience makes the Difference“, da ich finde, dass die heutigen Digital Natives eher Digital Immigrants sind.
Sie haben nicht mitbekommen, wie sich das Internet weiterentwickelt hat. Sie können ein iPhone von Kindesbeinen an bedienen, verstehen aber nicht, wie es entstanden ist.
Johannes Dultz über den Status als Online Marketing Experte
OME: Du weißt sehr viel über die Entwicklung in der digitalen Welt. Viele Online Marketing Experten würden sich aber selbst nicht als Experte bezeichnen.
Wie ist das bei dir? Würdest du dich Experte nennen?
JOHANNES DULTZ: Nein, das würde ich nicht. Prinzipiell kann jeder ein Experte sein.
Wenn man mich heute anrufen würde, ob ich zu einem bestimmten Thema im Fernsehen sprechen würde, könnte ich mir zwei Tage lang Wikipediabeiträge durchlesen und dann dort auftreten.
Es geht nicht mehr um ernsthafte Diskussionen, sondern nur noch darum, sich gegenseitig Frasen an den Kopf zu werfen.
Andererseits gibt es auch Online Marketing Experten wie Felix Beilharz, der sich selbst auf seiner Webseite als Experte bezeichnet.
Ich finde ihn klasse. Wir brauchen auch Experten wie ihn und Sascha Lobo, die den Mut haben, auch bei RTL aufzutreten.
Der Online Marketing Experte und seine Erfahrungen in großen Unternehmen
OME: Zurück zu deinem beruflichen Werdegang: Wie ging es für dich weiter, nachdem du Social Media Natives verkauft hast?
JOHANNES DULTZ: Ich wurde anschließend von einem großen Unternehmen als Head of Online Marketing angeworben. Ich habe allerdings nur unter einigen Bedingungen zugesagt.
Ich wollte ein bestimmtes Gehalt, einen ausreichend schnellen Rechner mit sehr guter Internetverbindung und die Möglichkeit, Home Office zu machen. Außerdem wollte ich fünf Mal pro Jahr auf Konferenzen gehen, die mich interessieren.
Anschließend hatte ich drei Monate Zeit, mir alle Marken und Firmen des Unternehmens anzusehen und den aktuellen Stand zu ermitteln.
Mir wurde zugesagt, ich bekäme eine grüne Wiese, die ich nach meinen Vorstellungen gestalten kann. Was ich dort vorfand, war jedoch keine grüne Wiese, sondern verbrannte Erde.
Ich hätte eher gekündigt, als dort mit Online Marketing anzufangen. Es wäre nicht zielführend gewesen, für das vorhandene System Traffic generieren zu wollen.
Zuerst mussten die Grundlagen aufgestellt werden: Vernünftige Webseiten und Shops, Zentralisierung von Datenerhaltung und die Optimierung von Händlerbeziehungen.
Zuvor hatte das Unternehmen diverse Händlerbeziehungen über ein Franchise, einen Lieferanten für Werbeartikel und andere Kanäle.
Ich war überzeugt davon, dass dieses System niemals konvertieren würde. Letztendlich hätte man es mir vorgeworfen, wenn ich in dieser Situation in Online Marketing investiert und Geld verschwendet hätte.
Einige Zeit später habe ich erfahren, dass man mich fast nicht eingestellt hätte, weil ich mein Hemd beim Vorstellungsgespräch nicht in der Hose hatte.
Ich hatte vor dem Gespräch auf dem Parkplatz mein T-Shirt gegen ein Hemd getauscht. Es war ungebügelt und hatte kleine Totenköpfe darauf, doch das haben sie nicht gemerkt.
Als ich das erfahren habe, hatte ich fast schon bereut, die Stelle überhaupt angenommen zu haben.
Die Worte des Geschäftsführers haben mich jedoch umgestimmt. Er hat sich bei mir für meine direkten Worte bedankt und mich darum gebeten, einen Maßnahmenplan zu erstellen.
Dadurch hat die Arbeit angefangen, Spaß zu machen.
OME: Hattest du dann auch ein entsprechendes Budget zur Verfügung?
JOHANNES DULTZ: Ich hatte nie ein Budget.
Ich sollte mir mein Budget von den anderen Marketingabteilungen holen. Das war natürlich nicht so einfach.
Wir hatten fünf Marketingleiter. Glaub‘ mir: Wenn du einem von ihnen etwas vom Budget wegnimmst, mag dich keiner mehr.
Als Head of Online-Markeing war ich ohnehin schon der, den niemand mochte. Ich habe als 26 Jähriger mehr Gehalt bekommen und hatte immer einen Termin beim Chef.
Bei der Budgetverteilung mit dem Kaufmännischen Leiter wurde ich gefragt, an welcher Stelle wir mein Budget hernehmen können.
Die Marketingmitarbeiter waren jedoch schon maximal ausgeastet. Dann kam ich und habe sie nicht nur ebenfalls in Beschlag genommen, sondern ihnen auch noch einen Teil des Budgets abgenommen.
Zusätzlich dazu waren sie keine Marketing Manager, sondern Produktmanager mit einer gewissen Verantwortung.
Meine Aufgabe war es dann, die Ausgaben dieser Produktmanager infrage zu stellen. Sie haben viele E-Mails ausgedruckt, damit sie sich in Meetings damit verteidigen konnten.
Ich fand das lächerlich, doch sie hatten keine andere Wahl. Die Finger Pointing Kultur im Management war schließlich Gang und Gebe.
Meine Lösung dafür war, meine Fehler immer sofort einzugestehen, wenn sich jemand beschwert hat. Auf diese Wiese hatten sie keine Möglichkeit mehr, mit dem Finger auf mich zu zeigen.
Stattdessen habe ich gesagt: „Ja, ich habe einen Fehler gemacht. Lasst uns nun zusammen ermitteln, wie wir diese Fehler in Zukunft vermeiden können.“
Für viele meiner Mitarbeiter war es sehr schlimm, dass ein so junger Mensch ihnen neue Wege aufzeigt.
Ähnlich war es in unserem Management Meeting. Ich erinnere mich an eine Situation, in der wir eine halbe Stunde lang zu zehnt darüber diskutiert haben, wie die Tasche für eine Süßwarenmesse aussehen soll.
Ich habe dann angemerkt, dass wir im Moment sehr viel Arbeitszeit und somit auch Geld damit verschwenden, eine Entscheidung zu treffen, die in kleinerer Runde schneller gefällt wäre.
In unseren Protokollen stand außerdem häufig „asap“, anstelle eines konkreten Abgabedatums. Ich konnte schließlich durchsetzen, dass wir unsere Meeting Protokolle nach einem festgelegten Schema anfertigen.
Ich habe mich mit meinen Änderungsvorschlägen nicht beliebt gemacht.
Abgesehen von dem angespannten Verhältnis zu den anderen Abteilungen hatte ich auch Probleme, mit meinen Kapazitäten zurechtzukommen.
Mir wurden keine Mitarbeiter zur Verfügung gestellt. Ich habe viele Aufgaben outgesourced. Das hat allerdings nicht gereicht.
Irgendwann hatte ich keine Lust mehr darauf, jeden zweiten Tag zwölf Stunden zu arbeiten. Zuerst habe ich versucht, dieses Problem mit Selbstoptimierung zu lösen.
Ich hatte im Abitur bereits mit Time Tracking gearbeitet, um meine Nettoarbeitszeit zu ermitteln. Das habe ich dann auch wieder gemacht.
Ich habe ein Kuchendiagramm mit meinen Zeiten erstellt und dabei festgestellt, dass ich 40% meiner Zeit in Meetings verbringe. Einen großen Teil der restlichen Zeit habe ich mit Kleinigkeiten verbracht, für die ich überqualifiziert war.
Meine produktive Arbeitszeit war demnach sehr gering.
Das Diagramm habe ich anschließend meinem Chef vorgestellt. Nach seiner Reaktion habe ich zum ersten Mal ernsthaft darüber nachgedacht, zu kündigen:
„Ach so, Sie fühlen sich also überbezahlt?“
Das Ergebnis meines Vortrages war, dass ich die Management Meetings nicht mehr besuchen musste, sondern nur noch an ausgewählten Meetings teilgenommen habe, die mich betrafen.
Dafür war ich sehr dankbar. Allerdings hatte auch dies seine Schattenseiten. Von da an war ich der, der sich für etwas Besseres hält.
Außerdem habe ich viele Dinge nicht mitbekommen, die ich lieber mitbekommen hätte. Das maximale Produktivitätsziel zu erreichen, ist also nicht immer sinnvoll.
Nachdem ich gedroht habe, zu kündigen, durfte ich schließlich Praktikanten einstellen. Ich musste erstaunlich oft mit der Kündigung drohen.
Der Lebenslauf meiner Praktikanten war mir egal. Sie mussten nur für ihre Arbeit brennen und bereit sein, Fehler zu machen.
Das habe ich den Interessenten schon im Telefoninterview gesagt. Wenn sie bei mir anfangen, müssen sie sich darüber bewusst sein, dass ich auch Praktikanten kündige.
Dennoch musste die Bereitschaft, Fehler zu machen, da sein. Ich hatte schließlich keine Zeit, jede Frage zu beantworten.
Erst einmal bringen Praktikanten einem nichts, sondern kosten die Kapazität, die man für die Einweisung benötigt. Praktikanten sind also keineswegs kostenlose Ressourcen.
Deshalb habe ich meine Praktikanten dazu angehalten, sich in den ersten drei Monaten auszuprobieren, damit wir herausfinden können, wo wir wen am besten einsetzen können.
In den folgenden drei Monaten habe ich versucht, meine Praktikanten im Unternehmen zu positionieren. Das Ziel war, dass sie übernommen werden.
Sollte das nicht gelingen, hätte ich sie an einen meiner Kontakte aus der Szene weitervermittelt.
Tatsächlich wurden alle drei meiner Praktikanten übernommen. Dadurch konnte ich mir ein festes Team aus ehemaligen Praktikanten aufbauen.
Das war nur möglich, da ich ihnen erlaubt habe, Fehler zu machen. Erst wenn sie selbst recherchiert und alles ausprobiert hatten, durften sie zu mir kommen, damit ich ihnen helfe.
Ich habe ihnen von Anfang an versichert, dass kein Fehler, den sie zum ersten Mal machen, auf sie zurückfällt. Auch in den Management Meetings habe ich diese Fehler auf mich genommen.
Es war mir nur wichtig, dass niemand den gleichen Fehler zweimal macht.
Durch diese Freiheit, sich selbst auszuprobieren und aus den eigenen Fehlern zu lernen, hatten meine Praktikanten die Möglichkeit, bei der Arbeit mit vollem Engagement dabei zu sein.
OME: Weißt du, was deine ehemaligen Praktikanten heute machen?
JOHANNES DULTZ: Einer meiner Praktikanten hatte einen kroatischen Namen und wurde deshalb vorher bei allen Stellen abgelehnt.
Mittlerweile ist er E-Commerce Leiter bei der Firma, hat also quasi meine Nachfolge angetreten. Ich glaube, er ist bis heute mit meiner anderen Praktikantin zusammen.
Sie arbeitet als Leiterin für Individualisierung. Auch sie hatte vor ihrem Praktikum Schwierigkeiten, eine Stelle zu finden, da ihr Lebenslauf nicht stimmte.
Ich habe jedoch gemerkt, dass die beiden engagiert sind und für das brennen, was sie tun. Deshalb habe ich sie eingestellt – unabhängig vom Lebenslauf.
OME: Diese Einstellung finde ich bewundernswert.
Gibt es noch weitere Erfolge, die du in dem Unternehmen erreichen konntest?
JOHANNES DULTZ: Ich habe jeden Stein in der Firma umgedreht – auch die, die schon so lange dort lagen, dass sie niemand mehr umdrehen wollte.
Zusammengefasst habe ich nicht das Online Marketing in dem Unternehmen aufgebaut, sondern die digitale Transformation angestoßen.
Das war mir damals nicht bewusst, da es den Begriff noch nicht gab.
Ich habe mich zum Beispiel dafür eingesetzt, ein CRM System zu verwenden. Davon war ich von Beginn an überzeugt.
Man kann Unternehmen nämlich auch mit erfolgreichem Online Marketing zerstören.
Als eines der Unternehmen aus der Gruppe begonnen hat, Suchmaschinenoptimierung zu betreiben, konnten sie ihre Conversions maximal optimieren.
Ich habe sie gewarnt, dass sie gut vorbereitet sein müssen, wenn die Maßnahmen schließlich Wirkung zeigen, da sie sonst Probleme mit dem Customer Service haben werden.
Der kaufmännische Leiter wollte jedoch nicht auf mich hören und meinte, er hätte alles im Griff. Auch mein Vorschlag einer geeigneten Software wurde nicht angenommen.
Und schließlich kam der SEO Traffic.
Auf einmal hat mir jeder für die Erfolgszahlen gratuliert, die zuvor präsentiert worden waren. Ich war darüber sehr verwundert, da ich weder Erfolgszahlen an meinen Chef weitergegeben hatte, noch bei der Verkündung dabei gewesen war.
Als mir schließlich die Erfolgszahlen genannt wurden, die nicht einmal im sechsstelligen Bereich lagen, bin ich wütend geworden und habe meinen Chef zur Rede gestellt.
Wenn solche Zahlen gefeiert werden, hätten wir den gesamten Betrieb einstellen sollen. Ich hatte hochqualitative Leads in einem Wert von 25 Millionen Euro hereingeholt.
Wenn dabei wirklich ein Betrag unterhalb des sechsstelligen Bereiches herausgekommen ist, dann bin ich weg. Wenn unser Customer Service so schlecht konvertiert, dann läuft da etwas falsch.
Ich habe meinem Chef einen Report geliefert, in dem meine Praktikanten alle Leads ausgedruckt haben, die allein über das Kontaktformular kamen – und 80 bis 90% kamen über das Telefon.
Dieser Stapel aus lediglich 10% unserer Anfragen war bereits 40 Zentimeter hoch. Meine Frage war nun: Was ist aus diesen Anfragen geworden?
Letztendlich haben wir herausgefunden, dass es ein halbes Jahr gedauert hat, bis ein Lead manuell von einem Praktikanten oder Azubi ausgewertet wurde.
Nachdem ich gekündigt hatte, wurde mir noch einmal vorgeworfen, warum wir noch kein CRM hätten. Die Verantwortlichen in diesem Bereich waren ein Grund für meine Kündigung.
Als ich begonnen habe, mich mit den Mitarbeitern aus anderen Abteilungen zu unterhalten, habe ich erfahren, dass in der Produktion förmlich Krieg herrscht.
Der Customer Service kam nicht mit der Bearbeitung der Leads hinterher. Die Bestandskunden waren wütend, weil sie nicht mehr wie gewohnt nach 24 Stunden eine Antwort erhalten haben.
Der Vertrieb war gereizt, weil die Zahlen sich nicht verbessert haben und weil sie die Beschwerden der Kunden auffangen mussten.
Die Produktion kam nicht mehr hinterher und hatte Streit mit dem Customer Service. Die Designabteilung ist aus allen Nähten geplatzt.
Und ich saß oben im Turm und habe von alldem nichts mitbekommen. Stattdessen wurde mir noch gesagt, wie gut die Umsatzzahlen sind.
So kann man ein Unternehmen töten.
Aufgrund dieser Erfahrung ist meine erste Frage immer: Welche Kapazitäten sind da und wie können wir skalieren?
Die End-to-End Betrachtung nimmt für mich einen wahnsinnig hohen Stellenwert ein. Was wird gesagt, was ist tatsächlich vorhanden und wie sehen die abschließenden Abläufe aus?
Nachfassen war für dieses Unternehmen ein Fremdwort. Für meine Frage, wie Leads nachgefasst werden, wurde ich ausgelacht: „Dafür haben wir keine Zeit.“
Diese Mentalität konnte ich nicht verstehen. Damals habe ich mich noch gefragt, was dort falsch läuft. Mittlerweile weiß ich, dass die Antwort darauf die digitale Transformation war.
Das empfiehlt Johannes Dultz angehenden Experten
OME: Denkst du, dass die Automatisierung dieses Problem hätte lösen können?
JOHANNES DULTZ: Ich habe es versucht, allerdings sind die internen Ressourcen nicht mitgewachsen.
Die Mitarbeiter, mit denen ich besprechen wollte, wie wir Abläufe verbessern können, hatten Angst, dass sie wegrationalisiert werden.
Ich habe versucht, ihnen diese Angst zu nehmen. Wir wollten sie nicht ersetzen, sondern ihr Stresslevel senken, damit die Frustration nicht noch weiter steigt.
Ich wollte dafür sorgen, dass die Mitarbeiter weniger repetitive Tätigkeiten erledigen müssen und sich stattdessen auf ihre Kernaufgaben konzentrieren können.
Besonders im Customer Service war das wichtig. Sie sollten sich konkret um die Beziehung zu ihren Kunden kümmern, anstatt stumpf Angebote erstellen zu müssen.
So konnte ich sie davon überzeugen, einige Automatisierungen vorzunehmen. Das war nicht einfach und hatte auch steuerrechtlich einige Herausforderungen, doch wir haben es geschafft.
Ich weiß aus zuverlässigen Quellen, dass die Firma heute vollständig digitalisiert ist, doch ich hatte es damals als Pionier auf diesem Gebiet nicht leicht.
Ich hatte damals damit zu kämpfen, dass das Unternehmen auf den alten Wegen bleiben wollte.
Ich wurde sogar darum gebeten, negativ SEO zu betreiben, da wir zu viele Anfragen bekamen. Das habe ich allerdings abgelehnt. Das Unternehmen war auf den SEO Erfolg einfach nicht vorbereitet.
Deshalb empfehle ich noch heute jedem, der Online Marketing betreiben will, dass er sich intensiv auf den Erfolg vorbereiten sollte.
Nehmt etwas Geld und Zeit in die Hand, um euch auf die eintreffenden Anfragen vorzubereiten. Dazu gehört beispielsweise auch ein Stresstest mit Google Ads oder über Testanrufer.
OME: Hast du noch weitere Empfehlungen für andere Online Marketing Experten?
JOHANNES DULTZ: Ich halte zum Beispiel Telefontracking für eine sehr sinnvolle Maßnahme.
Ich möchte Budgettöpfe mit Werbeausgaben vermeiden. Stattdessen sehe ich Werbung als Investition und das ist nur möglich, wenn Entscheidungen auf Messwerten anstatt auf dem Bauchgefühl basieren.
Mein Lieblingskunde weigert sich seit fünf Jahren, Telefontracking durchzuführen, da er bezüglich der verschiedenen Telefonnummern Bedenken hat, doch ich habe ihn bald davon überzeugt.
Er hat jedoch auch ein sehr gutes Gefühl für den Markt und expandiert sogar gerade, obwohl er seine Maßnahmen in einer Exceltabelle überwacht.
Bei vielen anderen Kunden setzen wir Telefontracking bereits erfolgreich ein. Dadurch konnten wir schon viele interessante Rückschlüsse ziehen.
Einer unserer Kunden war beispielsweise zwischen zehn und elf sehr schwer erreichbar. Eine kurze Recherche hat ergeben, dass seine Sekretärin in der Zeit immer mit ihrem Freund telefoniert.
Das Problem ließ sich durch einen freundlichen Hinweis an die Sekretärin, für Privatgespräche die Pausen zu nutzen, leicht aus der Welt schaffen.
Durch diese Methoden lässt sich für Einzelunternehmer bis hin zu größeren Mittelständlern erfolgreiches Online und Performance Marketing aufbauen.
Damit ich mit einer Firma zusammenarbeite, muss sie jedoch einige Bedingungen erfüllen.
Da ich möchte, dass Investitionen anstelle von Werbeausgaben getätigt werden, sollten die Firmen inhabergeführt und bereit zur Mitarbeit sein.
Außerdem möchte ich theoretisch betrunken beim Inhaber auf dem Sofa schlafen können.
So erkennt man, ob ein Unternehmen wirklich an einer Zusammenarbeit interessiert ist, oder ob es nur einen Dienstleistungssklaven sucht.
Johannes Dultz auf Online Marketing Messen
OME: Besuchst du hin und wieder auch Online Marketing Messen?
JOHANNES DULTZ: Ich habe mir schon diverse Online Marketing Konferenzen angesehen, bis ich eine gefunden habe, auf der ich mich am wohlsten fühle.
Dort habe ich unter anderem Uwe Hamann kennengelernt, der mittlerweile ein guter Freund von mir ist.
Er teilt meine Ansicht, dass es nicht vorrangig um das Marketing geht, sondern um eine gesamte Prozesskette. Man sollte Mitarbeitern eine Chance geben, die wirklich etwas bewegen wollen, und alles hinterfragen.
2015 habe ich eine Interviewreihe für die NürnbergMesse organisiert.
Ich unterstütze gerne Startups. Eines davon war eine Videoproduktion, mit der zusammen wir die NürnbergMesse digital to print gesponsored haben.
In diesem Rahmen haben wir Experteninterviews durchgeführt, unter anderem mit Felix Beilharz und Karl Kratz. Feix Beilharz hat sich dann gefragt, warum man von mir vorher noch nie etwas gehört hat.
So bin ich Teil dieser Szene geworden. Es macht Spaß, obwohl ich mittlerweile nicht mehr so oft auf Konferenzen gehe.
Ich möchte noch so viele Dinge ausprobieren und umsetzen, dass ich nicht mehr dazu komme, zu Konferenzen zu gehen.
Wenn ich eine Konferenz besuche, dann meistens nur, um mich mit anderen Online Marketing Experten auszutauschen.
Oft nehme ich nicht einmal mehr an den Panels teil. Stattdessen baue ich mein Netzwerk aus Spezialisten auf, während ich mir selbst lieber einen Überblick über viele Themen verschaffe.
Das ist ein weiterer Rat, den ich angehenden Online Marketing Experten ans Herz legen würde. Es ist nicht schlecht, sich in einem Bereich richtig gut auszukennen.
Ich bevorzuge es aber, in vielen Bereichen ein tiefes Grundverständnis aufzubauen. Erst wenn ich selbst verstehe, wie ein Ablauf funktioniert, kann ich das auch von einem Mitarbeiter erwarten.
Wenn ich nicht bewiesen habe, dass ich weiß, wie es geht, werden mich meine Mitarbeiter nicht respektieren. Deshalb gefällt es mir nicht, etwas zu verlangen, von dem ich keine Ahnung habe.
Es gibt daher auch keinen Bereich, in dem ich mich speziell vertiefen möchte.
SameMission – Alles über den Company Builder von Johannes Dultz
OME: Kannst du uns etwas über deine Firma SameMission erzählen?
JOHANNES DULTZ: SameMission ist ein Company Builder.
Auf die Idee kam ich gemeinsam mit Ralph Suikat. Er hatte 25 Jahre lang bis 2016 mit STP einen Marktführer der Insolvenz Software aufgebaut.
Mit den Jahren hat er 25 Beteiligungen als Startup Investor angesammelt. Ich habe ihn durch ein Startup kennengelernt, an dem ich bereits als Business Angel beteiligt war.
Wir haben sehr gerne zusammengearbeitet und hatten nach zwei Jahren bereits vier gemeinsame Beteiligungen.
Ralph hatte allerdings schnell so viele Beteiligungen an Startups, dass er sich gar nicht mehr um alle richtig kümmern konnte. Außerdem ist seine Frau an Krebs erkrankt.
Deshalb ist er schließlich bei STP ausgestiegen und hat nach einem Partner gesucht, der Social und Impact Startups unterstützen möchte.
So haben wir beschlossen, SameMission gemeinsam zu gründen. Auf den Namen SameMission kamen wir durch ein Foto, das Ralph gerne verwendet hat.
Es zeigte eine Löwenfamilie und trug die Überschrift „Surround Yourself with People on the same Mission“.
Wenn man dieser Löwenfamilie begegnet, hat man nur zwei Möglichkeiten: Entweder du passt zu ihnen und gehst mit ihnen, oder du gehst ihnen besser aus dem Weg.
Ich wollte schon lange so eine Agentur gründen. Ich bin ein großer A Team Fan und wollte mir mein eigenes A Team aus begabten Leuten bauen.
Ich bin eher wie Hannibal, der es liebt, wenn sein Plan funktioniert. Deshalb habe ich nach einem B. A. und co. gesucht.
Ich habe also geeignete Leute gesucht und Ralph versichert, dass ich dabei bin, wenn er das Unternehmen gründet – mit Geld und mit meiner Arbeit. So haben wir SameMission gegründet.
Unser Ziel ist es, die besten Mitarbeiter zusammenzusuchen, die menschlich zusammenpassen und dezentral arbeiten. Jeder kann da arbeiten, wo er will.
OME: Also zum Beispiel auch aus dem Home Office?
JOHANNES DULTZ: Natürlich. Wenn ich kein Home Office anbiete, bekomme ich nicht die besten Leute.
Viele haben zum Beispiel auch Familie und Kinder. Ich habe zwei Mitarbeiter aus Norddeutschland, die dort nicht weg wollen.
Eine meiner Mitarbeiterinnen wohnt in Schweden, ein anderer Mitarbeiter in Lettland, ein weiterer in Osnabrück.
Ich habe die soziale Verantwortung für meine Mitarbeiter, deshalb sorge ich dafür, dass wir immer auf 12 Monate vorfinanziert sind.
Wir haben inzwischen eine sehr gute Selbstorganisation entwickelt, in der jeder jeden Monat seine Stunden in einem Time Tracking System verzeichnet.
Außerdem halte ich einmal in der Woche ein Meeting mit meinen Mitarbeitern ab.
Eine Zeitlang haben wir jeden Morgen ein zehnminütiges Sprintmeeting gehalten, doch wir haben irgendwann festgestellt, dass die Meetings schneller gehen, wenn ich nicht dabei bin.
OME: Und SameMission arbeitet für die Startup Projekte?
JOHANNES DULTZ: Genau, für Startups und ausgewählte Kunden.
Der Grundgedanke von SameMission ist es, sich um Startups und ausgewählte Kunden zu kümmern, bis ihr Geschäft läuft.
Darunter verstehen wir nicht nur Gewinn, um des Geldes willen, sondern Gewinn mit Sinn und einen gewissen Impact.
Wir wollen Unternehmen vermarkten, die einen positiven Einfluss haben und zum Beispiel die Nachhaltigkeit fördern wollen. Die Schwierigkeit ist dabei meistens die Glaubwürdigkeit.
Wir haben einen Folienhersteller als Kunde, bei dem dieses Problem sehr gut sichtbar ist. Die erste Assoziation, die Menschen mit Folie und Plastik haben, ist sehr negativ.
Unser Kunde bemüht sich jedoch darum, eine immer dünnere, materialsparende Folie zu entwickeln, die dennoch Haltbar ist, um Ressourcen zu schonen.
Auch in anderen Aspekten setzt er sich für die Umwelt ein, zum Beispiel durch Ploggen.
Für die meisten ist ein Hersteller von Plastikfolie jedoch erst einmal grundsätzlich böse. Dabei ist er ein sehr guter Unternehmer in zweiter Generation mit 150 Mitarbeitern.
Mittlerweile ist er einer unserer größten Kunden und hat uns sogar zu seinem Sommerfest eingeladen.
Es macht viel Spaß, mit diesem Unternehmen zusammenzuarbeiten, es voran zu bringen und sie auch in ihrer Glaubwürdigkeit zu unterstützen.
OME: Also sind durch dein Geschäft auch schon Freundschaften entstanden?
JOHANNES DULTZ: Das sollte gerade im Bereich der Suchmaschinenoptimierung das Ziel sein. Eine gute Zusammenarbeit funktioniert nur über Vertrauen.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man dieses Vertrauen nur aufbauen kann, wenn man sich kennt. Alles andere ist Hoffnung.
Diese Hoffnung kann ich in Vertrauen konvertieren, aber nur, wenn ich eine Person kennenlerne.
Meiner Erfahrung nach sind diejenigen, die mir zu viel Vertrauen entgegen bringen, letztendlich meistens die, die eigentlich sehr misstrauisch sind.
Daher kippt das Vertrauensverhältnis in der Beziehung zu diesen Kunden sehr schnell.
Wir haben über die Jahre hinweg ein Profil für diese Art von Kunden erstellt. Wir nennen ihn Peter. Unser Grundsatz ist es, so schnell wie möglich zu prüfen, ob ein potenzieller Kunde ein Peter ist.
Sobald wir bemerken, dass ein potenzieller Kunde die Merkmale eines Peters hat, lehnen wir ihn ab.
Außerdem scheue ich nicht davor zurück, Kunden zu kündigen, wenn sie sich falsch verhalten – Egal wie viel Geld sie auf den Tisch legen.
Jeder Kunde sollte uns ein geringstes Maß an Wertschätzung entgegenbringen. Dazu bilden pünktliche Zahlungen die Basis.
Auch eine Entwertung meiner Mitarbeiter oder deren Leistung, ohne zu versuchen, sie zu verstehen, kann ich nicht akzeptieren. Dann stelle ich mich im Zweifelsfall auf die Seite meiner Mitarbeiter.
Viele Kunden haben das mittlerweile gelernt und entschuldigen sich sofort, wenn ein Kommentar kam, das nicht ganz sauber war. Wir leben das vor, indem wir unsere Fehler eingestehen.
Wir hängen uns in jedes Projekt rein. Jedes Projekt ist unser Baby und wenn wir bemerken, dass ein Kunde unsere Arbeit nicht wertschätzt, dann kündigen wir ihn.
Ich widerspreche dem Grundsatz „Kunde ist König“. Das stimmt nicht. Ein Kunde ist ein Kunde. Er sollte ein Partner werden und vielleicht sogar ein Freund.
Man sollte gemeinsam das Projekt im Blick haben und es zusammen weiterentwickeln. Dazu brauchen wir gegenseitiges Feedback und Verständnis.
Einen guten Mitarbeiter zu verlieren, tut tausendmal mehr weh, als einen Kunden zu verlieren. Deshalb haben wir uns nun etwas ausgedacht, um unseren Feedbackprozess angenehmer zu gestalten.
Am Anfang steht der Creator, dessen Ergebnis vor der Weitergabe an den Kunden von einem Abnehmer im Quality Audit geprüft werden muss.
Damit der Creator jedoch nicht direkt die Kritik vom Abnehmer abbekommt, haben wir nun einen Koalabären dazwischengeschaltet.
Schließlich arbeitet der Creator auf kreative Weise und hat somit einen persönlichen Bezug zu seinem Ergebnis. Der Koala ist unsere Lösung, zu vermeiden, dass der Creator die Kritik des Abnehmers zu persönlich nimmt.
Dieses Quality Audit ist ein wichtiger Bestandteil unserer Prozesskette, damit wir maximal produktiv arbeiten können.
Bei uns gibt es nämlich keine Überstunden. Stattdessen ist jeder selbst dafür verantwortlich, dass seine Projekte laufen.
So baut der Experte mit SameMission Startups auf
OME: Wenn ihr bei SameMission ein Startup betreut, wie geht ihr dann vor?
JOHANNES DULTZ: Das Ziel von SameMission als Company Builder ist es, auch eigene Unternehmen zu gründen.
Das können fertige Startups sein oder Visionen im Impact Bereich, für die wir noch die richtigen Gründer suchen.
Nehmen wir eine Idee zur CO2 Kompensation als Beispiel. Wir entwickeln ein Konzept, das mit Business- und Finanzplänen auch tragbar ist, und haben Anwälte, Buchhalter und diverse andere Dienstleister in unserem Portfolio.
Dann brauchen wir nur noch einen Gründer, der diese Idee lebt und sie mit Herz und DANN füllt. Diese Person muss nicht zwangsläufig Geschäftsführer werden.
Viele Gründer sind nicht die besten Unternehmer. Wir haben daher das Prinzip des betreuten Gründen entwickelt.
Unsere Gründer sollen sich auf ihre Vision konzentrieren können und bei der Mission unterstützen wir sie. Die Vision ist für uns das Ziel und die Mission der Weg dorthin.
Damit eine Gründung erfolgreich wird, müssen zahlreiche Aspekte erfüllt sein. Vor allem wird aber jemand benötigt, der dir auf die Nerven geht.
Deshalb ist die Überschrift auf unserer Webseite: „Wir sind dein bester Partner und größter Kritiker“. Damit kommt nicht jeder zurecht.
Gerade im Bereich Investment und Gründung ist die Persönlichkeit entscheidend. Ob diese passt, erkennt man meistens nach den ersten Misserfolgen.
Deshalb prüfen wir Startups ausgiebig, bevor wir investieren. Auch wenn ein Gründer bisher nur umjubelt wurde, stellen wir ihn mit vielen Fragen auf die Probe.
Wenn er diesen Test nicht besteht, muss er noch einmal nachjustieren.
Online Marketing Experte Johannes Dultz wirft einen Blick in die Zukunft
OME: Wo siehst du Deutschland 2030? Denkst du, dass es einen Führerschein für das iPhone geben wird?
JOHANNES DULTZ: Nein, für das iPhone braucht man keinen Führerschein.
OME: Wie wird sich der gesellschaftliche Wohlstand in Deutschland dank der Digitalisierung bis zum Jahr 2030 entwickeln?
JOHANNES DULTZ: Das ist eine sehr politische Frage.
Ich denke, dass Deutschland im Jahr 2030 noch immer großen Entwicklungsbedarf haben wird – allein aufgrund des mangelhaften Breitbandausbaus.
Vermutlich werden viele kleine Spezialisierungen stattfinden. Ich denke, dass wir in der Forschung gar nicht so schlecht dastehen werden.
Wir haben jedoch nicht die Daten, um beim Datensammelwettrennen zwischen Facebook und Google mitzuhalten.
Beispielsweise im Bereich Künstliche Intelligenz benötigen wir weitaus mehr Daten. Daher werden wir versuchen, mehrere kleine Insellösungen für verschiedene Bereiche zu entwickeln.
Tatsächlich war es die Bundeswehr, die das autonome Fahren erfunden hat – nicht die USA. Die USA haben nur die Daten, die benötigt werden, um es zu perfektionieren.
Das ist das typische Problem mit der DSGVO. Datenschutz ist wichtig, aber die großen Unternehmen aus den USA arbeiten mit anderen Mitteln. Im Datenwettrennen haben wir also keine Chance.
Johannes Dultz über die ökologische Transformation
OME: Wo siehst du dich selbst bis zum Jahr 2030? Bleibst du Unternehmer oder siehst du dich eher als jemand, der als Dozent oder Speaker etwas zurückgibt?
JOHANNES DULTZ: In gewisser Weise mache ich das als Business Angel und Mentor ja schon. Ich bin auch gemeinnützig aktiv.
Ich denke, dass sich alles weiter in die Impact orientierte Richtung bewegen wird. Startups, denen es nur um das Geldverdienen geht, werden gar keine Mitarbeiter mehr bekommen.
Sie werden nicht mehr darum herumkommen, sich zu fragen, was sie der Gesellschaft zurückgeben können.
Da reicht es nicht, Erdbeersmoothies, gesundes Essen und CO2 Neutralität zu versprechen. In der Zukunft wird das der Standard sein.
So wie heute jeder Mitarbeiter Wasser bekommt, wird man in der Zukunft als Mitarbeiter erwarten, dass das Unternehmen CO2 neutral arbeitet.
Unternehmen werden eine möglichst gute Umgebung für ihre Mitarbeiter schaffen müssen und der Gesellschaft immer mehr zurückgeben, um noch Talents für sich gewinnen zu können.
Ich unterstütze zur Zeit eine Impact Investing Firma, die eng mit der Bundesinitiative für Impact Investing, Phineo und co. zusammenarbeitet, um den Tippingpoint zu erreichen.
OME: Was ist der Tippingpoint?
JOHANNES DULTZ: Der Tippingpoint ist der Moment, an dem etwas ins Bewusstsein der Gesellschaft rückt. Im Beispiel von Klimabewusstsein kam dieser Tippingpoint durch Greta Thunberg.
Schon vor 25 Jahren hat der Spiegel über den Klimawandel berichtet, doch erst mit Greta kam der eine Moment, an dem das Thema ins Bewusstsein der Massen hervorgedrungen ist.
In der Forschung wird davon ausgegangen, dass man 6 bis 7 % der Menschen erreicht haben muss, bevor es zum Tippingpoint kommt und ein Thema in den Fokus des Mainstream gerät.
Aktuell befinden wir uns in der digitalen Transformation. Durch Greta Thunberg startet nun auch die ökologische Transformation.
Die Unternehmen sind jedoch noch nicht bereit, um darauf zu reagieren. Deshalb entwickeln wir Konzepte, mit denen wir bei den Unternehmen Bewusstsein schaffen können.
Es muss zu einer Wirkungstransformation kommen: „Bewirke ich etwas mit meinem Unternehmen oder meiner Dienstleistung, oder mache ich nur blind Profit?“
Konsumenten wollen nachvollziehen können, woher ihre Schuhe kommen, wie ihr Pullover produziert wurde und wie die Lieferkette aussieht.
Die Konsequenz sieht man an Konzernen wie Nestle oder Unilever, denen es nach und nach immer weiter an den Kragen geht. Sie sind genauso vom Tippingpoint betroffen.
Die Gewinner der ökologischen Transformation werden die Unternehmen sein, die sich schon jetzt darauf vorbereiten. Das fängt bereits bei der Mitarbeitergewinnung an.
Schon hier muss kommuniziert werden, welchen Impact das Unternehmen an die Gesellschaft zurückgibt.
Die ökologische Transformation ist extrem wichtig. Allerdings wissen wir auch, dass man das Klima nicht allein dadurch retten kann, indem man alles ein bisschen besser macht.
Wir brauchen Startups, die das CO2 Problem im Allgemeinen lösen. Durch Verzicht allein schaffen wir das nicht.
Dennoch sollte es mittlerweile Standard sein, sich ökologisch und klimapositiv zu verhalten und schon jetzt etwas zurückzugeben.
Wir haben unser Unternehmen komplett klimaneutral eigestellt und nehmen am Projekt KlimaPlus teil.
Das heißt, ich bezahle pro Mitarbeiter einen Kompensationsbeitrag von 260 Euro im Jahr für Klimaprojekte.
Damit nehmen wir eine Vorreiterrolle ein, um zu zeigen, dass Klimaneutralität eine gute Sache ist, die auch den Mitarbeitern nahegelegt werden sollte.
Wir kommunizieren unseren Mitarbeitern nicht nur, dass wir als Firma nachhaltig handeln, sondern animieren sie mit dem Kompensationsbeitrag zusätzlich dazu, sich über ihr eigenes Verhalten Gedanken zu machen.
Zu wissen, dass wir als Arbeitgeber ihnen durch den Kompensationsbeitrag einen neutralen CO2 Fußabdruck ermöglichen, nimmt ihnen den Druck und bringt sie gleichzeitig in eine Bringschuld.
Dadurch werden unsere Mitarbeiter dazu motiviert, sich selbst darüber zu informieren, was sie im Alltag zusätzlich besser machen können.
KlimaPlus ist unser eigenes Startup Projekt, mit dem ich versuche, auf mein Netzwerk zuzugehen und es dazu anzuregen, sich auch klimaneutral einzustellen.
Für die Mitarbeiter ist es auch eine Gelegenheit, vor Freunden damit anzugeben, das ihr Chef ihnen CO2 Neutralität ermöglicht.
Das Projekt soll einen Diskurs anregen. Diese Impact Bewegung finde ich viel wichtiger als die Digitalisierung. Wir sollten uns fragen, welche Wirkung wir erzielen.
Schließlich wird uns im Online Marketing stets nachgesagt, wir würden keine Werte schaffen, da wir nichts Anfassbares produzieren.
Wenn du einem Kunden einen Tisch zimmerst, würde er niemals auf die Idee kommen, im Nachhinein nicht zu bezahlen. Bei Online Marketing ist das hingegen häufig problematisch.
Deshalb ist es mein Ziel, die Impact Orientierung voranzubringen. Ich möchte, dass wir uns Gedanken darüber machen, wie wir alle ökologischer werden können.
Unsere Szene sollte da vorweg gehen, schließlich können wir uns das leisten. Uns geht es finanziell gut, die Margen stimmen, die Kunden wachsen. Wir müssen uns keine Sorgen machen.
Daher ist es unsere Verantwortung, zu überlegen, was wir übernehmen können. Wie können wir uns positionieren und uns von schwarzen Schafen distanzieren?
Wie können wir gesellschaftspolitisch etwas bewegen? Dieses Thema finde ich weitaus wichtiger, als die Frage nach dem aktuellsten Trend.
Diese Online Marketing Tipps gibt Johannes Dultz angehenden Experten
OME: Was hältst du im Allgemeinen von Online Marketing Trends?
JOHANNES DULTZ: Die meisten Unternehmen sollten erst einmal die Grundlagen beherrschen, bevor sie sich kurzlebigen Trends zuwenden.
Viele haben noch nicht einmal ihre Kanäle ausgelotet und optimal skaliert. Meistens reicht es, ein paar Maßnahmen umzusetzen und auf Conversion zu optimieren.
Nachgelagert sollte auch der After Lead Prozess definiert sein, um Wiederholungskunden zu generieren. Traffic wird es immer geben, da mache ich mir keine Sorgen.
Natürlich ist aktuell auch das Thema Voice Search auf dem Vormarsch, aber das entwickelt sich momentan noch sehr langsam.
Ich würde allerdings jedem dazu raten, auf Testimonials zu setzen. In Deutschland herrscht eine große Angst, Kunden nach einem Testimonial zu fragen.
In den USA funktioniert das jedoch bereits sehr gut. Fielmann und Aldi sind gute Beispiele dafür, dass Testimonials auch in Deutschland erfolgreich eingesetzt werden können.
Anstelle nach so viel Traffic wie möglich zu streben, sollten wir uns lieber einfachen Mitteln zuwenden.
Wir bieten unseren Kunden an, einen Text für ihre Testimonials vorzuschreiben. Diesen können sie dann als Beispielscreenshot ihren Kunden vorstellen.
Die meisten Menschen sehen sich gerne selbst und lesen gerne ihren Namen. Dazu kommen sie dann noch einen Backlink und schon willigen die meisten ein.
Wer diese simplen Mechanismen einsetzt, kann sein Unternehmen bereits deutlich voran bringen.
So sieht Johannes Dultz seine eigene Zukunft
OME: Ich finde dein Mindset beeindruckend. Wir können in Zukunft bestimmt noch viel von dir erwarten, richtig?
JOHANNES DULTZ: Deshalb beantworte ich auch nicht, wo ich mich in 3 Jahren sehe.
Ich bin momentan sehr zufrieden und stehe jeden Tag gerne auf. Ich habe ein wunderbares Team und eine tolle Familie.
Eines meiner Projekte ist lora-wan.de. Für die Domain bekomme ich im Moment zahlreiche Angebote von großen Firmen, da mit dem Thema 5G auch das Thema LoRaWAN immer attraktiver wird.
Teilweise rufen mich aber auch andere Entwickler an, die mich fragen, warum ich die Domain nicht nutze, um damit Geld zu machen.
Einer von ihnen stellte mir die indiskrete Frage: „Bist du eigentlich reich?“
Meine Antwort war: „Ohne auf monetäre Mittel zu achten, ja.“
Ich habe keine Zukunftsangst. Ich habe die Möglichkeit, ein Netzwerk zu bewegen. Ich bin gesund, habe Familie und Freunde.
Gleichzeitig schaffe ich es, Menschen aus meinem Umfeld zu entfernen, die sich negativ an mich heften wollen.
Ich kann mir erlauben, so viel oder so wenig zu arbeiten, wie ich will und wo ich will. Und ich weiß, ich kann die Welt verändern. Ich werde sie auch verändern, aber ich setze mich damit nicht unter Druck.
Als ich das große Unternehmen verlassen habe, habe ich mir erst einmal ein dreiviertel Jahr Auszeit genommen, um herauszufinden, was ich machen möchte.
In der Zeit kamen viele Kunden auf mich zu und haben mich große Projekte umsetzen lassen, für die ich gut bezahlt wurde.
Diese Arbeit hat sich angefühlt wie Zuckerwatte. Im ersten Moment schmeckt sie wirklich gut, bis das Projekt fertig ist, das Geld auf dem Konto gelandet ist und der Rausch nachlässt.
Deshalb habe ich irgendwann entschieden, nicht mehr so zu arbeiten, sondern mir Zeit für große Aufgaben zu nehmen und zusammen mit Ralph SameMission zu gründen.
OME: Da freut es mich umso mehr, dass du dir die Zeit für unser Interview genommen hast. Vielen Dank.